KUNST IM KRIEG

Eine Bestandsaufnahme

Maya Roisman
Ressort Kunst & Kultur EDA

Bereits vor dem Überfall der Hamas auf Israel und dem drastischen Anstieg von Antisemitismus gab es innerhalb jüdischer und antisemitismuskritischer Künstler*innenkreise Diskurse um die Ausgrenzug israel-solidarischer Positionen in der Deutschen Kunst. Besonders das Institut für Neue Soziale Plastik, gegründet von Stella Leder (Herausgeberin des Sammelbandes “Über jeden Verdacht erhaben? – Antisemitismus in Kunst und Kultur”), kämpft seit Jahren für die Anerkennung des israel-bezogenen Antisemitismusproblems in der Szene. Das Institut entwickelt konkrete Konzepte für strukturelle Veränderungen und setzt vor allem bei staatlich finanzierten Institutionen an, von denen eine Bindung ihrer Fördermittel an Bekenntnisse gegen Antisemitismus, neben anderen Diskriminierungsformen, gefordert wird. 

In Kriegszeiten entwickelt sich auch die Kunst zu einer Waffe, die gesellschaftspolitische Debatten nachzeichnet und dabei die Macht hat, durch Gefühle zu mobilisieren, für die es keine Worte gibt. Lahav Halevy’s Poster Design mit dem Neologismus “Antifemitism” ist eine wörtliche Umsetzung dessen — eine Anspielung auf das stigmatisierende Schweigen feministischer Organisationen in Angesicht der Vergewaltigungen von jüdischen Frauen. Manchmal kann die Kunst aber auch so weit gehen, unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit Gedankengut zu illustrieren, für das es keine Worte geben darf. Ein Sinnbild hierfür ist eine Performance Kunststudierender der UdK, die mit rot gefärbten Handflächen gegen Israel protestierten — sie erweckt Erinnerungen an die blutigen Hände eines Palästinensers nach dem Lynchmord an zwei Israelis im Jahr 2000.  
Gerade Berlin wurde zum Schauplatz eines regelrechten Kulturkampfs. Nach der Verharmlosung des Hamas-Angriffs durch Betreibende von “Oyoun” wurden dem Kulturzentrum im November Fördermittel entzogen, die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz sagte wegen ähnlicher Äußerungen eine Ausstellung der Künstlerin Candice Breitz ab. Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) installierte als Reaktion eine Antidiskriminierungsklausel, einschließlich der IHRA Definition für Antisemitismus, die nach offenen Briefen und Protesten der lokalen Kunstszene innerhalb weniger Wochen wegen “juristischer Bedenken” zurückgenommen wurde. 

Doch auch Trauer, das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Mitgefühl sind Emotionen, die besonders in der Kunst Ausdruck finden. Mit dem Beginn des Kriegs gingen als erstes Fotografien von Kriegsreporter*innen wie Oren Ziv um die Welt, deren Qualität weit über dokumentarische Funktionen hinausgeht. In Israel gründeten sich Solidaritätsgruppen aus Künstler*innen wie “Names and Faces IL”, die Illustrationen Opfern des Hamas-Angriffs und den in Gaza gefangenen Geiseln widmeten. Die einfache Vermittelbarkeit über Social Media ermöglicht es Künstler*innen wie Keren Shpilsher oder Shoshke Engelmayer auf das aktuelle Geschehen zu reagieren und die Ängste von Israelis in kleinen täglichen Monumenten zu verbildlichen. Benzi Brofman nutzt Street Art als Mittel, um Geschichten von Geiseln in den öffentlichen Raum zu transportieren, die Fotografien von Sharon Derhy zeigen die Leerräume auf, die Opfer der Hamas in ihren Familien hinterlassen haben. Und auch das Institut für Neue Sozialplastik organisierte neben Safer Spaces für jüdische und israelische Kunststudierende eine Solidaritätsaktion, für die mittlerweile über 30 künstlerische Arbeiten gesammelt wurden. Die Kunstwerke veröffentlicht das Institut regelmäßig auf ihrem Instagram-Account und auf ihrer Website.


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