Yaron Lischinsky und Sarah Milgrim hatten Träume, Pläne und ein gemeinsames Leben vor sich.

Ein Beitrag von Liora Becher

Er – ein junger, engagierter Diplomat mit deutsch-israelischen Wurzeln, leidenschaftlich in seinem Einsatz für Verständigung und Gerechtigkeit. Sie – eine US-Amerikanerin, klug, zugewandt, tief verwurzelt in ihrer jüdischen Identität. Am 21. Mai 2025 wurden sie in Washington, D.C., vor dem Capital Jewish Museum erschossen – mutmaßlich aus Hass auf das, was sie in den Augen des Täters repräsentierten: jüdisches Leben.

Der Täter, ein 30-jähriger Mann aus Chicago, wurde am Tatort festgenommen. Nach Angaben der Jüdischen Allgemeinen rief er bei seiner Festnahme: „Free Palestine!“ und „Ich habe es für Gaza getan“ – Parolen, die ein antisemitisch motiviertes Hassverbrechen beweisen (Jüdische Allgemeine, 2025).

Yaron hatte wenige Tage zuvor einen Ring gekauft – er wollte Sarah in Jerusalem einen Heiratsantrag machen. Freunde und Kolleg:innen beschreiben sie als lebensfrohes Paar, das Hoffnung ausstrahlte – Hoffnung auf ein friedliches jüdisches Leben in einer Welt, die dafür scheinbar immer weniger Platz lässt.

Der Mord an Yaron und Sarah ist mehr als eine weitere schreckliche Tat in einer langen Reihe antisemitischer Gewalt. Er steht für eine wachsende Realität, in der jüdisches Leben nicht nur in Europa, sondern weltweit unter Beschuss steht. Und doch waren sie mehr als Opfer.

Dieser Artikel soll an Yaron und Sarah erinnern – als Menschen, nicht als bloße Namen in einer Schlagzeile – und jenen eine Stimme geben, die sie liebten, mit ihnen lachten, arbeiteten, träumten.

Um zu verstehen, wer sie wirklich waren – jenseits der Schlagzeilen – habe ich mit Menschen gesprochen, die ihnen nahestanden. Ihre Stimmen zeichnen das Bild zweier Menschen, deren Leben viel zu früh ausgelöscht wurde – und deren Verlust mehr als nur Trauer hinterlässt: Wut, Angst, aber auch den Willen, sich dem Hass nicht zu beugen.

„Generous. Passionate. Kind.“

So beschreibt ein früherer Kollege Sarah, den sie bei Tech2Peace kennenlernte – einer NGO, die junge Palästinenser:innen und Israelis zusammenbringt, um gemeinsam an Start-up-Ideen zu arbeiten und in Dialog zu treten. Sarah war ursprünglich nur als freiwillige Helferin im Administrativen dabei. Aber schon bald wurde klar: Sie war keine Zuschauerin.

„I met Sarah through Tech2Peace, an NGO that brings together Palestinians and Israelis for high-tech training and facilitated dialogue.“

Sie engagierte sich in Diskussionen, arbeitete an einem Projekt zu nachhaltiger Innovation mit und war, wie er sagt, von Anfang an eine der Seelen des Projekts.

„What struck me immediately was Sarah’s passion. Though she was there volunteering on the admin side, she would participate in dialogue sessions and even dove into a sustainable innovation project we were working on.“

Ihre Leidenschaft, ihre Authentizität und ihre Ernsthaftigkeit beeindruckten. Dass sie später zur israelischen Botschaft wechselte, überraschte ihn kein bisschen.

„I’ll never forget Sarah’s unwavering commitment to dialogue and peace. It was clear from her time at Tech2Peace, so it came as no surprise when I saw she started working for the embassy.“

Die Nachricht von ihrer Ermordung erreichte ihn über eine jüdische Nachrichtenseite. Als ihr Name genannt wurde, war der Schock so tief wie unmittelbar:

„I found out about the attack through a Jewish news site. Once the names were released, I saw Sarah’s name and I screamed.“

Noch immer versucht er, den Schmerz zu verarbeiten. Die Tech2Peace-Community, sagt er, sei ein Halt. Und doch sei es schwer, weiterzumachen.

„I’ve been leaning on the Tech2Peace community. We’re supporting each other. I’ve also been crying a lot and avoiding social media.“

Und doch bleibt er nicht sprachlos. Im Gegenteil – für ihn ist klar, was aus dem Mord folgen muss:

„I think society should learn from this tragedy that violence never solves anything. We should be inspired by who they were. Sarah and Yaron were both devoted to building bridges and believed in the necessity of peace.

Ein früherer Kollege Sarahs beschreibt:

„Sarah kam über ihr Graduiertenprogramm zu uns. Sie war voller Energie, wollte wirklich helfen, wo immer sie konnte. Bescheiden, neugierig und absolut entschlossen, eine bessere Zukunft zwischen Israelis und Palästinensern mitzugestalten.“

Was als Praktikum begann, wurde zu weit mehr. Sarah wurde Teil der Gemeinschaft, schloss Freundschaften mit ganz unterschiedlichen Menschen und kehrte schließlich für ein weiteres Jahr zurück, aus eigener Überzeugung.

„Sie hat sich wirklich reingehängt. Sie war nicht nur da – sie hat dazugehört. Die Entscheidung, zurückzukommen, war ganz ihre eigene, weil sie so leidenschaftlich dabei war.“

Die Nachricht von dem Anschlag erreichte ihn in Washington, D.C. und traf ihn völlig unvorbereitet.

„Ich wachte auf und sah eine Flut von Nachrichten. Erst kam der Schock. Dann die Angst – nicht nur um sie, sondern auch davor, wofür diese schreckliche Tat vielleicht instrumentalisiert werden könnte. Ob sie dazu genutzt wird, um mehr Gewalt zu rechtfertigen.“

Der Verlust ist schmerzhaft.

„Es ist einfach traurig. So jemanden zu verlieren – und zu wissen, dass diese Spirale der Gewalt sich immer weiter dreht. Dass dieser Konflikt so viele Menschenleben berührt. Ich denke, wir als Gesellschaft müssen lernen: Gewalt erzeugt Gegengewalt. Der einzige Weg, diese Spirale zu beenden, ist dauerhafter Frieden.“

„Ich habe Yaron als ruhig, reflektiert und unglaublich bestimmt erlebt.“

Auch über Yaron Lischinsky gibt es Erinnerungen – eindrücklich, tief, geprägt von Respekt. Eine junge Aktivistin aus dem Umfeld des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft erzählt von einer Begegnung, die zwar flüchtig war, aber einen bleibenden Eindruck hinterließ.

Yaron, sagt sie, war kein Mensch der großen Gesten. Und doch hatte er eine Präsenz, die auffiel – ruhig, konzentriert, voller innerer Klarheit. Man spürte sofort, dass er nicht nur für etwas stand, sondern es lebte: Verantwortung, Dialog, jüdisches Selbstbewusstsein – ohne Pathos, aber mit Tiefe.

„Ich habe Yaron als ruhigen, reflektierten und zugleich unglaublich bestimmten Menschen erlebt. Er war jemand, der nicht nur mitdachte, sondern mittrug. Jemand, der wusste, was auf dem Spiel steht – und dennoch nie zynisch wurde.“

Besonders erinnert sie sich an ein Treffen des Jungen Forums, das Yaron mitorganisierte. Dort sprach er von seiner bevorstehenden Aufgabe an der israelischen Botschaft in Washington. Für ihn war das keine bloße berufliche Etappe – es war Ausdruck eines tiefer liegenden Engagements.

„Er sprach nicht von Karriere, sondern von Verantwortung. Von der Chance, Brücken zu bauen – auch dort, wo andere längst nur noch Mauern sahen.“

Seitdem, sagt sie, habe sie die israelische Botschaft in den USA nicht mehr als abstrakte Institution gesehen, sondern mit einem Gesicht verbunden: mit Yaron.

„Er war für mich das Symbol für einen neuen diplomatischen Geist – klar in der Haltung, offen im Gespräch, tief verwurzelt und gleichzeitig dialogbereit.“

Als sie am Morgen des 22. Mai die Schlagzeile las, dass zwei israelische Diplomaten in Washington erschossen worden waren, hatte sie sofort ein ungutes Gefühl. Doch dass es wirklich Yaron war – damit hatte sie nicht gerechnet.

„Ich öffnete Instagram und da war das Bild von Yaron und Sarah. Ich konnte es nicht glauben. Ich kann es bis heute nicht.“

Was folgte, war nicht nur Trauer. Es war auch Wut – über das, was geschehen war, und darüber, dass so viele davor gewarnt hatten, ohne gehört zu werden.

„Wir sagen seit Jahren: Antisemitismus ist kein Randphänomen, sondern eine reale Bedrohung. Dass Menschen wie Yaron – kluge, mutige, versöhnende Stimmen – nun zum Ziel werden, ist nicht einfach ein tragischer Zufall. Es ist das Ergebnis eines Klimas, das Hass duldet.“

Und doch, sagt sie, wird sie nicht verstummen. Im Gegenteil:

„Yarons Haltung lebt weiter in uns. In jeder Entscheidung, nicht zu schweigen. In jedem Schritt, weiterzumachen. Er war ein Vorbild – nicht, weil er laut war, sondern weil er echt war. Und genau das brauchen wir heute mehr denn je.“

„He was the first person who talked to me.“

Eine Kommilitonin erinnert sich an ihre erste Begegnung mit Yaron Lischinsky an der Reichman University – eine Begegnung, die alles veränderte.

„I met Yaron in Reichman University. We were studying diplomacy together. I came to the university a month later than everybody else, so, I didn’t know anyone and sat next to him. He was the first person who talked to me, we quickly became friends.“

Was sie an ihm von Anfang an beeindruckte: seine ruhige, fast stoische Art. In einer Gesellschaft, in der Lautstärke oft das Gespräch dominiert, war Yaron anders.

„He was very calm. It felt like nothing can make him over-react. In the intensity of Israeli reality, where everyone shouts over smallest things, it was really unusual to see such a different energy.“

Einen Moment wird sie nie vergessen: eine Geburtstagsüberraschung auf dem Dach des Wohnheims.

„We organized a birthday surprise for Yaron on the rooftop. He didn’t know about it, so I texted him to come up immediately – pretending someone needed help. And he was there in seconds, because that was his first thought: that someone might need him. That was so him.“

Was typisch für Yaron war? Seine Hilfsbereitschaft – und dass man sich auf ihn verlassen konnte.

„He would always try to help me and others at university with anything he could. I literally wouldn’t have passed one of the courses without his support.“

Der Schock über die Nachricht seines Todes war tief.

„I found out through the news and friends’ chat. I was in shock and couldn’t believe this is real. It was unbearably painful to see his pictures all over the internet – and it still is.“

Am Tag des Interviews war sie auf dem Weg zu seiner Beerdigung. Die Trauer, sagt sie, ist groß – aber der Schmerz über das Warum noch größer.

„Everyone should learn that murdering Jews, Israelis or Zionists isn’t going to free Palestine. And that antisemitism is a very real and dangerous problem – not something imagined or exaggerated by Jews.“

Yaron und Sarah, sagt sie, sollen nicht nur als Opfer erinnert werden – sondern als das, was sie wirklich waren:

„Young, beautiful, smart and successful. People who served the cause of diplomacy and believed in a better future for us all.“

„They worked for peace and lived it.“

Der Schmerz ist groß. Doch die Klarheit der Stimmen, die zurückbleiben, ist größer. Ihre Worte sind keine bloße Erinnerung – sie sind ein Vermächtnis. Eine Mahnung. Und ein Auftrag.

„Sarah and Yaron didn’t just talk about peace in the way many of us do. They worked for it and lived it.“

Ihr Tod war sinnlos. Ihr Leben war es nicht.

„We must not give up on their visions for peace. Their legacy is a call to keep building bridges.“

Möge ihr Andenken ein Segen sein. Und ein Anstoß, hinzusehen – und zu handeln.