Trump 2.0 aus einer jüdischen Perspektive
Kommentar von Maya Roisman, Redakteurin EDA-Magazin
Hashem curse America
Studierende bauen ihre Zelte auf den Campi renommierter amerikanischer Universitäten auf. Schreiben ihre Schilder, skandieren ihre politischen Forderungen im Chor. Während auf TikTok Bodybuilder mit misogynen, homophoben fremdenfeindlichen und antisemitischen Weltbildern und ihre kochenden Tradwives trenden, FLINTA* in manchen US Bundesstaaten Meilen fahren müssen, um eine legale Abtreibung zu bekommen, Trans Menschen weit weg von einer Selbstbestimmung sind, fokussieren sich diese Protestierenden auf ein weit entferntes Land, das so groß wie Hessen ist. Anti-Imperialisten*innen in einer Welt, in der nun ein Mann erneut Präsident wird, welcher ihr gesamtes demokratisches System infrage stellt.
Neben den offensichtlichen Gefahren, die Donald Trump für ein progressives Amerika und internationale Beziehungen darstellt, sollten wir als junge jüdische Menschen in der deutschen Diaspora der Frage nachgehen, was seine Wiederwahl für uns bedeutet. Und dabei ein besonderes Augenmerk darauf legen, welche Rhetorik er in Bezug auf Juden verwendet und welche Parallelen hier zur Neuen Rechte (und auch moderaten Rechten) in Deutschland zu sehen sind.
White Boys in the House
Für die USA war diese Wahl richtungsweisend, wie viele Kommentatoren*innen bereits bemerkt haben. Die Traditionsfamilie kontra Regenbögen, Bilaterale Beziehungen kontra Isolationismus, eine Schwarze Frau gegen den alten weißen Mann. Trump warb, unter anderem damit, das weiße Haus christlicher prägen zu wollen. Doch neben identitätspolitischen Themen, geht es hier um konkrete Ansichten und ideologische Partnerschaften, die Trump zu einer problematischen Figur für Juden machen. Wie wir wissen, ermutigte Trump schon während seiner ersten Präsidentschaft weiße Nationalisten, die mit antisemitischem Gedankengut aufgefallen sind. Jonathan Guggenberger schreibt im Freitag über das aktuelle Phänomen der Neuen Rechten “Antisemiten auf Anabolika”, die in Juden eine mächtige Elite sehen. Aufgepumpte Machos verbreiten auf Social Media Plattformen, klassischen Verschwörungsideologien ähnelnde, Aussagen wie die, Juden würden die schwachen Männer in Regierungspositionen beherrschen. Seit Elon Musk X zu einer Plattform der Meinungsfreiheit aufwertete, wird sie nahezu unmoderiert von antisemitischem Gedankengut überschwemmt. Trumps langjähriger Unterstützer Tucker Carlson geniert sich nicht davor, in seine Talk-Show einen Holocaust-Verharmloser einzuladen. Und der Präsident selbst mobilisierte seine breite Anhängerschaft vor der Wahl gegen amerikanische Juden, indem er ihnen Ende September kollektive Untreue gegenüber Amerika und die Verantwortung für eine mögliche Wahlniederlage andichtete. Wie Juden denn so dumm sein könnten, gegen ihn zu wählen – ihn, als großen Unterstützer Israels.
Causa Israel – der feuchte Rechte Traum
Trump schreibt sich auf die Fahne, während seiner ersten Amtszeit vielen Forderungen Netanyahus Regierung nachgekommen zu sein – so die Verlegung der US Botschaft aus Tel Aviv nach Jerusalem und die Vermittlung zur Aufnahme diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen mit arabischen Staaten durch die Abraham Accords. Doch neben der fehlgeleiteten Gleichsetzung von Schutz jüdischen Lebens und der Unterstützung Israels (Rechter Regierung?!), sollte die tatsächliche Unterstützung und Motivation Trumps hinterfragt werden. Zum einen, war es strategisch sinnvoll, während Harris mit einem gespaltenem demokratischen Lager jongliert, eine vermeintlich klare Kante in der Causa Israel zu zeigen. Er versprach, die Studierendenproteste mit aller Härte zu zerschlagen und internationale Studierende auszuweisen, die sich gegen Israel aussprechen. Die Forderung nach Abschiebung, gefolgt von der Forderung nach Abschiebungen aufgrund von Israelkritik nach dem 07.10. kommt uns hier bekannt vor. Trumps vermeintliche Israel Unterstützung beschränkt sich hier auf das Versprechen, “den Krieg sofort beenden zu können”. Hier wird keine Aussage darüber getroffen, wie viel der terroristischen Struktur der Hamas oder Hisbollah zu diesem Zeitpunkt noch bestehen und wie viele Geiseln nach Israel zurückkehren dürfen. Gleichzeitig animierte er Netanyahu bei der Planung eines Gegenschlags gegen das Iranische Regime, seine Atomanlagen anzugreifen, was sicherlich keiner Sensibilität oder Deeskalation im Nahen Osten gleichkäme. Außerdem kommt Trump mit der Überzeugung der sofortigen Beendigung des Krieges einer zentralen Forderung seiner isolationistischen und nationalistischen Wählerschaft nach: keine ihrer Steuergelder für die “Finanzierung ausländischer Kriege” aufzubringen – Anti-Imperialismus meets Anti-Demokratisierung.
Eyes wide open
Juden als ein einheitlich wählendes Kollektiv zu betrachten, ist ein Mechanismus, den jede politische Partei beherrscht. Interessanterweise sind einige der Mechanismen der vermeintlichen Unterstützung von Juden auch von politischen Akteuren*innen in Deutschland zu beobachten: Merz, wie er jede Woche Abschiebungen fordert und nach dem Oktober 2023 auf einmal, mit einem Mundwinkel lächelnd, wegen Israel Abschiebungen fordert. Das wiederum wird als Staatsräson verkauft. AfD Anhänger*innen, die sich mit “Juden” solidarisieren, weil sie sich “ebenfalls von den Arabern angegriffen” fühlen und AfD Politiker*innen, die Juden mit der Anerkennung Israels Existenzrechts einen ethnischen Lebensraum zusprechen (in den sie wohl dann remigrieren können), während gegen Waffenlieferungen gestimmt wird. Nicht nur Israel ist ein Bezugspunkt zwischen Juden und ihrer Gefährdung durch die Rechte – auch die Verharmlosung des Holocausts auf TikTok kopiert sie sich in Deutschland von den USA. Geschweige denn die Lossagung von der NATO und die Aufgabe der Ukraine, dem Land, aus dem ein Großteil der aschkenasischen Juden in Deutschland geflohen sind.
Unter Trumps Stimmen stellt die Zahl der jüdischen Wählenden ein historisches Hoch dar, gleichzeitig hat die Mehrheit amerikanischer Juden für Harris gestimmt. Juden sind Anti-Zionisten*innen, sie sind Netanyahu-Apologeten*innen, sie sind Frauen* ohne Kinderwunsch, sie sind Trans*. Und sie haben sowohl aufgrund ihrer jüdischen Identität als auch darüber hinaus Gründe, sich wegen Trumps Wiederwahl und der Ermächtigung weißer Nationalisten, Christlich-Evangelikaler und der Feinde diverser Minderheiten um ihre Rechte zu sorgen. Wir in Deutschland müssen die Augen offenhalten, denn wir dürfen hierzulande nicht die gleichen Fehler machen. Und jetzt schon anfangen, Campi für den Erhalt der Demokratie zu besetzen.