Wir hatten das große Glück, mit niemandem Geringeren als der jüdischen Influencerin Tanya Yael Raab (IG: @oy_jewish_mamma) ein Interview über Jewish Dating zu führen. Tanya ist 24, studiert eigentlich Deutsch und Russisch auf Lehramt, ist alleinerziehende Mutter einer Dreijährigen, jüdische Aktivistin und Autorin eines im Februar erscheinenden Buches namens „Shalom zusammen! – Warum wir falsche Vorstellungen von jüdischem Leben haben und das gemeinsam ändern sollten“. Während der Pandemie hat sie über Instagram regelmäßig angefangen über das Judentum, politische Themen und Aufklärungsarbeit zu posten. Derzeit hat sie knapp 14.000 Follower. Im Mai 2024 wurde EDA Redaktionsmitglied und Pick me I’m Jewish – Kolumnisten Michelle Senderski auf sie aufmerksam, als sie einen lustigen Post über ihre Dating Erfahrungen aus dem Jahre 2022 als Jüdin auf Dating Apps postete.
Tanya was waren die Erfahrungen, die du als Jüdin auf Dating – Apps gemacht hast?
Also ich möchte zuerst einmal betonen, dass ich mittlerweile aufgrund der politischen Lage nicht mehr offen in mein Dating Profil schreiben würde, dass ich Jüdin bin. Damals habe ich das aber so gemacht und obwohl ich nicht konkret Antisemitismus erlebt habe, wurde ich dennoch durch einige Dating – Partner mit antijüdischen und antisemitischen Klischees oder Vorurteilen konfrontiert.
Was für Klischees waren das?
Ich hatte mal ein Date mit einem jungen Herrn, der zu mir meinte, meine Nase sehe ja gar nicht so „jüdisch“ aus. Auf Nachfrage wie denn eine „jüdische“ Nase aussähe, wurde schnell deutlich, dass er sich propagandistischen Motiven aus der Nazizeit bediente, ohne zu differenzieren. Ich bin dann auch recht schnell gegangen, weil mir das zu blöd wurde. Es gab andere Dates, bei denen schnell deutlich wurde, dass sie mich nur auf mein Judentum reduzierten. Sie wollten mich nur daten, „um es mal mit einer Jüdin auszuprobieren“, weil „sie noch nie vorher etwas mit einer Jüdin hatten“. Andere wiederum sahen in mir eine Person, mithilfe derer sie den Holocaust oder ihr Familientrauma aufarbeiten wollten. Ich muss dazu sagen es waren auch ausschließlich nur Deutsche, die ich gedatet habe und mit denen ich ausgegangen bin.
Das klingt heftig! Gab es denn aber auch gute Erfahrungen, die du auf den Apps gemacht hast?
Ja natürlich! Ich war zum Beispiel bei einem meiner Dates zuhause, weil wir zusammen kochen wollten. Er hatte sich mehrfach dafür entschuldigt, dass sein Geschirr nicht in milchig und fleischig getrennt war und hatte später, als wir uns was zu essen bestellten, für mich extra Einweggeschirr besorgt. Wahrscheinlich mit dem Hintergedanken, dass ich koscher esse und damit das milchige und fleischige Essen sich nicht vermischen. Da ich liberal bin, sehe ich das etwas lockerer, aber die Geste und die Gedanken dahinter waren sehr nett und aufmerksam. Ein anderes Date fragte mich, als wir eine Verabredung ausmachten, ob es ok für mich ist, dass wir etwas an Schabbat zusammen machen würden und dass ich Zug fahre.
Hast du denn jemals aktiv nach jüdischen Partnern gesucht?
Nein. Ich habe eigentlich nie aktiv nach einem jüdischen Partner gesucht, weil mir das an einem Partner nie wichtig war. Natürlich muss ich dazu sagen, dass ich in Brandenburg an der Havel wohne und ich habe auch nur in der Umgebung gedatet. Die Wahrscheinlichkeit, dass man hier einen Juden trifft ist natürlich viel geringer als in Berlin zum Beispiel. Ich wurde dennoch auf jüdischen Apps von jüdischen Männern angeschrieben. Es wurde dann schnell deutlich, dass es ihnen um eine jüdische Partnerin ginge mit der sie eine Familie gründen wollten und dass mein Jüdischsein für sie vornehmlich Vorrang hatte.
Mittlerweile bist du in einer Beziehung. Dein Freund ist Deutscher und Atheist. War Religion bei euch jemals ein Thema oder Konflikt?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe meinem Freund ehrlicherweise aber auch von Anfang zu verstehen gegeben, dass ich meine Tochter religiös erziehen möchte und die jüdischen Feiertage feiere. Für ihn war das kein Problem und er hat das einfach von Anfang an akzeptiert. Mit der Zeit hat er dann sogar selbst angefangen Interesse am Judentum zu zeigen. Wir waren zum Beispiel vor kurzem auf einer jüdischen Hochzeit und er trug freiwillig und von selbst eine Kippah. Natürlich musste ich ihn bei bestimmten Dingen in eine gewisse Richtung erziehen. Er hatte zu Anfang so eine Schlussstrich-Mentalität gegenüber der Shoah und dem Themenkomplex drumherum, die sich bei ihm über die Zeit gewandelt hat. Wahrscheinlich durch die Filme über die NS Zeit, die wir gemeinsam geschaut und die Gespräche, die wir mit ihm geführt haben. Das alles hat seinen Blickwinkel sehr geweitet. Mittlerweile begreift er sich sogar selbst als Teil der jüdischen Community und solidarisiert sich sehr stark mit Israel…Manchmal sogar noch stärker als ich (lacht). Er findet das super schrecklich was in Israel gerade passiert und schickt mir immer wieder Artikel dazu.
Fehlt dir in deiner jetzigen Beziehung etwas, das eine Partnerschaft mit einer jüdischen Person möglicherweise bieten könnte?
Also so richtig nicht. Vielleicht die spirituelle Seite. Natürlich fände ich es schön gemeinsam mit meinem Partner hin und wieder in die Synagoge zu gehen und zu beten oder gemeinsam Feiertage in der Gemeinde zu feiern. Aber ich weiß, dass ich meinen Partner nicht überreden oder dazu zwingen kann. Er hat aber selbst sogar vor kurzem das Interesse geäußert in eine Synagoge mal gehen zu wollen, da eine neue Synagoge neben seiner Arbeit gebaut wurde.
Tanya hättest du denn auch Tipps an unsere LeserInnen? Möglicherweise diejenigen Jüdinnen und Juden, die selber in einer Beziehung mit einer nichtjüdischen Person sind?
Auf jeden Fall keine Angst haben! Auch nichtjüdische Personen können bestimmte Dinge nachvollziehen. Man sollte, finde ich, einfach transparent mit Sorgen und Ängsten umgehen und seine Bedenken offen dem Partner gegenüber äußern. Gemeinsame Rituale könne da auch helfen. Wir haben zum Beispiel den Schabbatabend in einen Pizzaabend umfunktioniert. Indem man solche neuen Rituale schafft, kann sowohl die jüdische als auch die nichtjüdische Person partizipieren und so erschafft man in der Beziehung ein neues Ritual als Fundament für eine ganz eigene Tradition zwischen den Partnern.