PICK ME, I’M JEWISH (PART IV)

25/07/2024

Die Story hinter den „Geschenken“

Kolumne von Michelle Senderski

Bei jüdischen Männern frage ich mich manchmal, ob sie auch lange nachts wach liegen und überlegen, vielleicht sogar weinen oder ihre beste Freundin (bzw. eher besten Freund) anrufen, aufgelöst, verzweifelt, ihr Leben hinterfragend, ob sie jemals die richtige jüdische Partnerin finden werden…? 

Tritt bei Männern auch manchmal der Moment ein, in dem man Revue passieren lässt, welche der vielen Frauen es hätte sein können, bei welcher man sich doch hätte anders verhalten sollen und welche man einfach so gehen ließ, ohne zu wissen, dass das gegebenenfalls die eine Mascha/Dascha/Alexandra/Vika …für einen gewesen wäre. Es würde mich echt interessieren eine männliche jüdische Perspektive dazu zu hören…

Vielleicht hatte einer der Lesenden schon einmal die Situation, dass man eine jüdische Person kennengelernt hat, die nach all den Parametern gepasst hätte (Alter, Herkunft, Aussehen, Interessen), aber die Person, außer dass sie jüdisch war,„the bare minimum“ tat. Vielleicht hat er oder sie sich nur sporadisch gemeldet und ließ dabei direkt dein Herz höherschlagen. Jede ihrer oder seiner Nachrichten war wie eine tägliche Dosis Kokain, die du zum Überleben brauchtest und du fühltest dich wie etwas ganz Besonderes, dabei war es nur ein stumpfes „Guten Morgen“ oder ein sexy „Hey“. Man hat vielleicht alles versucht, um die Person für sich in seinem Kopf passend zu machen, über Dinge hinwegzusehen und Sachen zu ignorieren, die aus dem Land der roten Flaggen kamen, bis es dann zu spät war. Man wusste im tiefsten Herzen, dass es nicht das Wahre ist oder nur von kurzer Dauer sein sollte. Man hatte ein ungutes Gefühl oder wollte bestimmte Dinge einfach nicht sehen, weil man so verliebt war und der Zusatz „jüdischer Partner“ nun mal ziemlich verführerisch klang. Und am Ende sitzt man vielleicht vor seinem zerknülltem Vision Board, in einer Bar angetrunken oder mit einem Eisbecher in der Hand und verflucht alle jüdischen Männer und wird zeitweise zur „Antisemitin“… ist ’ner „Freundin“ von mir passiert.

Ja es gibt jüdische Männer und grundsätzlich Männer, die belügen und betrügen. Es gibt Männer, die verletzen und enttäuschen. Es gibt Männer, die fremdgehen und welche, die sich „anderweitig“ umschauen, obwohl sie sich noch in einer Beziehung befinden. Es gibt toxische Männer und dann gibt es wiederum auch psychisch labile und emotional unreife Männer mit Bindungsängsten.

Aber ich glaube ehrlich daran, dass die Mehrheit an jüdischen Männern sowie auch Männern allgemein nicht schlecht ist…sie ist manchmal vielleicht einfach nur verwirrt. Denn oftmals steckt meiner Meinung nach hinter so einem Mann ein kleiner Junge, der von seinen Eltern nicht richtig geliebt wurde oder wo bestimmte Mechanismen in seiner Erziehung oder punktuelle Situationen wie bestimmte Schicksalsschläge im Leben dazu geführt haben, dass er so handelt wie er jetzt handelt. Je älter wir werden, desto mehr prägt uns das Leben und desto mehr Schicksalsschläge müssen wir einstecken. Und oft ist es so, dass Männer, je älter sie werden, vor allem, wenn sie auf die 30 oder 40 zugehen, so einiges schon mitgemacht haben. 

Es ist einfach, diese Männer zu verurteilen, ihnen irgendeinen Stempel aufzudrücken, aber auch diese Männer können sich, so sehe ich das, weiterentwickeln und können wählen, den Mangel an Liebe durch belanglose Liebeleien zu kompensieren oder wirklich zu lieben. Denn Liebe ist immer eine Entscheidung und wer von uns hat ehrlicherweise keine Trauma von den eigenen Eltern mitgenommen? Ein jüdischer Mann, der sich seiner Selbst bewusst ist und den Mangel an Liebe dadurch kompensiert, indem er anderen Liebe gibt, das nenne ich eine Leistung…

 Die Frage ist doch: Sind wir Frauen wirklich so anders und so viel besser? (Fortsetzung folgt – diesmal aus einer männlichen Perspektive)

In dieser fortlaufenden Kolumne freue ich
mich, künftig auch eure persönlichen
Geschichten zu erzählen!