Die Vorteile eines jüdischen Partners und das „ganze Judending“
Kolumne von Michelle Senderski
Ach ja…wir Juden und Judinnen sind das ewig leidende…ich meine das ewig datende Volk. Wie ihr bereits im ersten Teil lesen konntet, schreibe ich über Dating, Partnerwahl und Juden. Ich will aber mit dieser Kolumne weniger meine persönlichen Erfahrungen thematisieren (Taylor Swift kann aus ihrem Liebesleben Kapital schlagen, ich habe nicht die Stimme dazu), sondern diese Themen breiter öffnen und jüdischen Menschen eine Stimme geben.
Erst kürzlich habe ich eine Umfrage für jüdische Mitmenschen zum Thema Jewish Dating gestartet. Bei 55 % ist der Partner derzeit nicht jüdisch, 60 % von euch verspüren den Druck, jemand jüdisches daten zu müssen und davon machen sich 67 % selbst diesen Druck. Rund 32 % der Befragten haben gemischte Erfahrungen beim Dating gemacht, 14 % überwiegend schlechte, 23 % überwiegend gute und wiederum 30 % gar keine, weil sie nie Juden/Judinnen gedatet haben.
Erstaunlich war, dass 91 % aller Teilnehmenden ein(e) jüdische(r) Partner:in wichtig ist. Auf Nachfrage gaben die meisten als Gründe gemeinsame Werte, Traditionen, die gemeinsame Kultur und dass die Kinder jüdisch werden an. Eine Antwort stach dabei besonders heraus: „Man muss nicht das ganze Judending erklären.“
Viele Leute unterschätzen das, aber ich erachte das als großes Privileg a) einen passenden Partner in der heutigen Gesellschaft zu finden und b) mit diesem die gleichen Traditionen und Werte teilen zu können. Tatsache ist, man muss einfach weniger Sachen erklären: angefangen mit der Kultur, die gleichzeitig eine Religion ist, die gemeinsamen Feste und Bräuche bis hin zu den Erfahrungen, die man macht als Jude/Judin in Deutschland. Die Realität vieler Juden und Judinnen aus dem postsowjetischen Raum sieht nämlich so aus: Man fühlt sich sein Leben lang wie ein kultureller Mischmasch. Man ist nicht wirklich deutsch, aber russisch/ukrainisch… ist man auch nicht, man feiert kein Weihnachten, aber irgendwie auch nicht richtig Chanukka, man weiß, dass die Eltern nach Deutschland hergekommen sind als jüdische Kontingentflüchtlinge, aber trotzdem wurde einem oft verboten und nahegelegt sich nicht als Jude/Judin vor den deutschen Mitschülern und Mitschülerinnen zu outen…es könnten ja auch Antisemiten sein. Natürlich ist es dann nur selbstverständlich, dass oftmals ein männliches oder weibliches jüdisches Pendant mit ähnlichen Erfahrungen für die andere Person in der Theorie attraktiv wirken müsste. Denn das Gegenüber weiß einfach, wovon man spricht. Und dabei reden wir gerade nur über die kulturelle Komponente. Einem jüdischen Partner wirst du Antisemitismus nicht zu erklären brauchen, denn sein Schmerz ist dein Schmerz, geht es dir als Jüdin an den Kragen, geht es ihm auch an den Kragen, denn ihr beide sitzt im selben Boot. Du wirst mit ihm den Schabbat besuchen oder schwänzen, koscher leben oder nicht und sogar, wenn ihr in eurem Religiositätsgrad unterschiedlich seid, geht es nicht für einen in die Kirche an Weihnachten und für den anderen in die Gemeinde zuRosch ha-Schana . Wenn ihr heiratet, könnt ihre eine Chuppa haben und eure Kinder sind, sofern ihr welche bekommt, automatisch jüdisch. Ihr habt beide ein großes Geschenk, was euch verbindet und das ist eure jüdische Identität!
Aber die große Frage ist doch: Reicht das aus? (Fortsetzung folgt)
In dieser fortlaufenden Kolumne freue ich
mich, künftig auch eure persönlichen
Geschichten zu erzählen!