Eine Hommage an Yocheved
Chiara Lipp, aus unserer Reihe „Feministische Größen im Judentum“
Mein liebster Feiertag steht vor der Tür und mit all seinen wundervollen Traditionen und Bräuchen wie dem Ma Nischtana oder der voll Spannung erwarteten Suche nach dem Afikoman ist Pessach vor allem ein Fest der Kinder. Kinder haben auch in der Geschichte des Exodus eine besondere Bedeutung, wobei sie zunächst jedoch eine fragile Rolle einnehmen. Da sie seitens des Pharaos als Bedrohung eingestuft wurden, sollten alle männlichen Neugeborenen des jüdischen Volkes direkt nach der Geburt umgebracht werden.
Hier kommt nun Yocheved ins Spiel. Denn Pessach ist nicht nur das Fest der Kinder, sondern auch vieler starker Frauen. Eine von ihnen war Yocheved. Sie stammte aus dem Hause Levi und war als weise, willensstarke und fürsorgliche Frau bekannt. Nach talmudischer Auslegung war sie unter dem Namen Shifra in dieser Zeit in Ägypten als Hebamme tätig und somit auch für die Umsetzung des abscheulichen Befehls verantwortlich (Exodus 2:1). Gemeinsam mit Puah, bei der es sich entweder um ihre Tochter Miriam oder Schwiegertochter Elisheva handeln soll, arbeitete sie jedoch Tag und Nacht an der Vereitelung dieses Plans und an der Rettung der Neugeborenen. Unter dem Einsatz ihres eigenen Lebens widersetzte sie sich dem Willen des Pharaos und kümmerte sich hingebungsvoll um die Mütter und deren Babys (Sotah 11b). Nicht umsonst gilt sie nach Rabbi Judah Hanassi bis heute als Mutter von über 600 000 Kindern, all derer die sie rettete und deren Nachkommen jene waren, die aus Ägypten auszogen. Auch ihrem eigenen Sohn Moshe, welcher später als Prophet das jüdischen Volk aus ägyptischer Gefangenschaft führen wird, rettete sie nach monatelangem Verstecken durch das Legen in ein mit Pech bestrichenes Körbchen das Leben (vgl. Mindel o.D.). Dieses Körbchen, versteckt auf dem Nil, wurde später von Batya, der Tochter des Pharaos und folgend Moses Adoptivmutter, gefunden. Die Gründe für diesen Entschluss können vielfältig gewesen sein, doch scheint sie Vertrauen auf ein gutes Ende gehabt zu haben. Vertrauen in Haschem den Ewigen, Vertrauen vielleicht aber auch in ihre Tochter Miriam, die ihr laut Abraham ibn Esra prophezeite, dass dies die richtige Entscheidung sein wird (vgl. Posner o.D.).
Für all ihren Mut wird Yocheved belohnt. Als Mutter zweier Propheten und einer Prophetin wird sie in hohem Alter in das gelobte Land Kanaan einziehen und noch heute als eine der bewundernswertesten jüdischen Frauen der Geschichte gelten. Wenig überraschend, dass viele jüdische Frauen ihren Namen tragen. So beispielsweise auch Yocheved Bat Raschi, die Tochter des Shlomo Yitzchaki, vor allem bekannt als Raschi. Auch ich bin stolz, ihren Namen als hebräischen zweiten Vornamen tragen zu dürfen.
Letztendlich vereint sie das, was so viele jüdische Frauen der Vergangenheit und Gegenwart auszeichnet: Den Mut sich zu widersetzen, bei Ungerechtigkeit die eigene Stimme zu erheben und vor allem aktiv zu handeln. Beeindruckend ist jedoch auch die Fähigkeit des Vertrauens auf unsere starke Gemeinschaft und in Haschem, den Ewigen. Das Vertrauen, dass unser Weg gut werden wird! Yocheveds unendliche Liebe für ihre eigenen Kinder und alle Kinder Israels dient bis heute als Vorbild und wird beispielsweise von Jil Hammer als Darstellung von Netzach shebeChesed (vierter Tag der Omerzählung) angeführt. Netzach shebeChesed: Wenn aus grenzenloser Liebe, außergewöhnliche Möglichkeiten entstehen (vgl. Hammer 2012)!
Liebe, Resilienz, Hoffnung, Zusammenhalt und Vertrauen – dies alles vereint die Pessachgeschichte und dies sollten wir vor allem in Zeiten wie diesen immer im Herzen behalten!
Chag Pessach sameach!
Exodus 2:1
Hammer, J. (2012). Omer Calendar of Biblical Women. (zuletzt aufgerufen am 01.04.24)
Mindel, N. (o.D.). Yocheved. Early Biblical Personalities – Chabad.org. (zuletzt aufgerufen am 01.04.24)
Posner, M. (o.D.). Why did Jochebed put Moses in the Nile? – Chabad.org. (zuletzt aufgerufen am 01.04.24)
Sotah 11b