von Katja Kuklinski
„Danke! Vielen Dank, dass Sie mir geholfen haben.“ – Nach dem zweistündigen Gespräch legt Frau Y. auf. Ihrem Sohn Ben wurde in der Schule der Button mit dem Davidstern vom Rucksack gerissen, und er selbst als „Kindermörder“ beschimpft. Am Tag darauf rief seine Mutter bei uns an und suchte verzweifelt nach Unterstützung. Als Antidiskriminierungsberaterin bin ich für Frau Y. da, höre zu, kläre ihre Bedürfnisse und bespreche Handlungsmöglichkeiten. In diesem Fall wenden wir uns an den Schulleiter Herrn W., um eine Aufklärung der Situation und Maßnahmen gegen zukünftigen Antisemitismus zu fordern. Gelingt die Aufarbeitung mit Herrn W. nicht, nehmen wir in solchen Fällen Kontakt mit der nächsthöheren Stelle auf, um Druck auf die Täter:innen auszuüben. Ziel ist immer der Wunsch der Klient:innen. Das heißt: Meine Arbeit ist parteilich. Und das ist sehr wichtig, denn gerade Betroffene von Antisemitismus fühlen sich, insbesondere bei israelbezogenem Antisemitismus, oft gegaslighted.
Als ich bei SABRA angefangen habe, dachte ich, meine eigene jüdische Identität würde kaum eine Rolle spielen. Doch je länger ich diesen Beruf ausübe, desto mehr kann ich aus meiner Perspektive für die Beratung anderer jüdischer Menschen ziehen: das Verständnis für die Kultur, meine Biografie als Konti oder Russisch als Muttersprache. Eine Ausbildung gibt es nicht, viele Fähigkeiten kommen learning by doing hinzu. Wichtig ist eine starke Frustrationstoleranz. Denn weder juristisch noch gesellschaftlich gibt es funktionierende Strukturen, um Antisemitismus zu verhindern, aufzuarbeiten oder zu verfolgen. Dagegen hilft gesunde Abgrenzung: nach Feierabend klappe ich den Arbeitslaptop zu, schalte mein Handy aus und melde nur noch Vorfälle bei RIAS, wenn sie mir direkt vor meine Nase springen. Wenn ich dann wieder im Büro sitze, habe ich so die Stärke, Frau Y. zu unterstützen.
SABRA steht für Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit, Beratung bei Rassismus und Antisemitismus. Katja Kuklinski ist jüdisch und arbeitet dort als Beraterin. Zusätzlich zu den Einzelfallberatungen gibt sie Workshops und Fortbildungen für verschiedene Organisationen. Als Beraterin kann man sie und ihre Kolleg:innen unter sabra.beratung@jgdus.de oder +49 211 469 126 26 erreichen. Antisemitische Vorfälle können bei der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) unterhttps://www.report-antisemitism.de/report/ gemeldet werden.