von Noam Petri
Wussten Sie, dass Hitler kein Antisemit war? Er auch nicht. Doch laut der Nation of Islam wurde er fälschlicherweise als Antisemit bezeichnet. Was für eine Anschuldigung! Hitler war kein Antisemit? Manche behaupten sogar, dass er Zionist gewesen sein soll. Ein Affront! Wenn er begraben worden wäre, würde er sich im Grab umdrehen. Wo bleibt der Aufschrei der Neonazis?
Das Paradoxon des Antisemitismus von heute ist, dass seine Anhänger immer lauter und aggressiver werden, aber nicht als Antisemiten bezeichnet werden wollen. Früher war man stolzer Antisemit. Heute weist man den Vorwurf zurück und diskutiert über die Definition des Antisemitismus.
Vor etwa einem Jahrzehnt schlug der ehemalige Linkspolitiker Diether Dehm eine spannende Antisemitismus-Definition vor: “Antisemitismus ist Massenmord und muss dem Massenmord vorbehalten bleiben! Er darf nicht inflationiert werden und nicht für alles und jedes verwendet werden.“
“Mist”, denkt sich die Nation of Islam. “Nach der Definition war Hitler also doch Antisemit.“
“Ob dann nach dieser Definition ‚Kauft nicht bei Juden’ nur arischer Verbraucherschutz und alles unter Massenmord nur eine Ordnungswidrigkeit oder ́Israelkritik` wäre”, frage ich mich.
“Einspruch!”, rufen Hamas-Sympathisanten im Westen. “Das Hamas-Massaker war kein Antisemitismus. Es war legitim, aber ist gleichzeitig eine Lüge, weil Israel die Menschen umgebracht hat.”
Die Dehm ́sche Definition konnte sich bekanntermaßen nie durchsetzen. Das lag unter anderem am fehlenden Rückhalt in Teilen der Intelligentsia. Hier punktet die Definition der Jerusalem Declaration on Antisemitism, die als Gegenentwurf zur IHRA-Definition von Aktivisten, Wissenschaftlern, Intellektuellen, Journalisten und Politikern gepriesen wird.
Aus Sicht einiger JDA-Befürworter ist diese besser, weil die IHRA-Definition angeblich jegliche Kritik an Israel als antisemitisch einstuft.
Über die falschen Anschuldigungen gegenüber der IHRA und die Gründe, wieso die JDA keine gute Definition ist, wurde genügend publiziert. Ich habe daher nur eine Frage an JDA-Befürworter:
Wie schlecht muss die JDA-Definition sein, wenn Hamas-Sympathisanten, wie zum Beispiel an deutschen Universitäten, diese befürworten?
An die IHRA-Befürworter habe ich eine Bitte: Lasst uns nicht naiv sein. Durch die JDA-Definition soll israelbezogener Antisemitismus per Definition salonfähig gemacht werden. Und wenn, wie in einem Gastbeitrag in der FAZ vorgeschlagen wird, die IHRA und die JDA als Grundlage dienen sollen, wird im Einzelfall die JDA angewandt.
Ist dieser Schritt erst einmal vollzogen worden, wird es nicht mehr „Ist das schon Antisemitismus?“ heißen, sondern „Es ist per Definition kein Antisemitismus“. Unser Kampf gegen Judenhass wäre dann nicht zu Ende. Doch er hätte einen großen Schritt rückwärts gemacht.