12/12/24
von Chiara Lipp
Als ich meinen Blick durch das beeindruckende Kunsthistorische Museum in Wien schweifen ließ, stach mir auf einmal eine selbstbewusst wirkende Frau mit glänzend langem Haar, prächtiger Kleidung und opulentem Schmuck ins Auge. Das Gemälde, welches meine Aufmerksamkeit auf sich zog, zierte jedoch nicht nur jene anmutige Frauengestalt, sondern zeigte auch den abgetrennten Kopf eines Mannes, der unmöglich einen noch größeren Kontrast zur eben beschriebenen Schönheit hätte darstellen können. Mit der einen Hand stützte sich die Frau auf eben diesen Kopf, in der anderen hielt sie ein langes Schwert empor.
Dieses Gemälde von Lucas Cranach d. Ä. zeigt Judith nach der von ihr ausgeführten Tötung des assyrischen Generals Holofernes. Neben der erfolgreichen Rebellion der Makkabäer und der Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem, wird auch die Geschichte der Judith häufig mit Chanukka in Verbindung gebracht. So finden sich viele Parallelen zwischen den beiden Erzählungen, wie beispielsweise die Siege über die damaligen Besatzer sowie die Errettung des jüdischen Volkes.
Zunächst ist jedoch anzumerken, dass die Geschichte der schönen und gutherzigen Witwe Judith genauso wie die Erzählung des „Chanukka Wunders“ nicht im Tanach vorhanden ist. Trotzdem steht die Protagonistin, wie auch Esther, Yocheved oder Riwka und viele weitere jüdische Frauen, für Mut, Gottesfurcht sowie unbändigen Willen.
Doch beginnen wir von vorne. Judith stammte aus Betulia, einer Stadt, die von den Assyrern belagert wurde. Diese hatten die umliegenden Gebiete bereits erobert und setzten sich zum Ziel, nun auch Betulia einzunehmen und das israelische Volk zu besiegen. Zwar war dieses vorbereitet und sich der Unterstützung durch den Ewigen gewiss, jedoch musste aufgrund des zunehmenden Drucks durch fehlende Versorgung eine schnelle Lösung gefunden werden. Daraufhin überzeugte Judith die Ältesten der Stadt, ihr eine Audienz beim feindlichen General Holofernes zu ermöglichen.
Die nächsten Schritte dürften bei so manchem Lesenden Erinnerungen an die Purim Geschichte wecken: Nachdem Judith den Ewigen um seinen Segen gebeten hatte, legte sie sich Schmuck sowie ihre besten Kleider an, verführte Holofernes und alkoholisierte ihn daraufhin. Sobald er durch seine Trunkenheit wehrlos war, enthauptete sie ihn mit seinem eigenen Schwert, brachte seinen Kopf zurück nach Betulia und zeigte ihn den Israeliten. Die Assyrer, die jetzt führungslos waren, gerieten in Panik und flohen, wodurch die Belagerung von Betulia schließlich beendet wurde.
Eine mutige, wenn auch durchaus brutale Tat, die in der Errettung des Volkes Israels endete. Ein Detail, welches anfänglich vielleicht unbedeutend erscheint, möchte ich besonders hervorheben: Denn im Gegensatz zu Esther, versuchte Judith nicht ihren eigenen, ihr vertrauten Ehemann zu bezirzen, sondern den ihr unbekannten und unberechenbaren Feind. Dennoch tötete sie ihn durch sein eigenes Schwert, denn sie trat den Besuch vollkommen unbewaffnet an. Weder Waffen noch Gift oder Soldaten begleiteten sie. In der Ausführung dieses tollkühnen Planes schien sie auf sich alleine gestellt zu sein. So könnte man auf den ersten Blick zumindest meinen. Doch wie bereits Mosche kurz vor seinem Tod zum Volk Israel sprach:
„Seid stark und fest, fürchtet euch nicht und banget nicht vor ihnen; denn HaSchem, dein G-tt, er ist es, der mit dir geht; er wird dich nicht lassen und dich nicht verstoßen.“ (5. Mose 31,6)
Dies zu beherzigen und im Alltag umzusetzen, ist nicht immer leicht. Es scheint einfacher, dem Ewigen für all die Not und Probleme die Schuld zu geben, sich in dunklen Zeiten vom Glauben abzuwenden und zu resignieren. In den letzten Monaten gäbe es zweifelsohne unzählige Gründe dazu. Die Dunkelheit schien so oft zu überwiegen und das Licht blieb unerreichbar fern.
Umso wichtiger ist das Festhalten an unserem Glauben, an der Hoffnung und der Überzeugung, dass Licht kommen wird. Wenn wir in diesem Jahr die Kerzen auf der Chanukkia entzünden, lasst uns nicht nur unsere Wohnungen und Häuser erhellen, sondern auch unsere Herzen. Mögen sie hell erleuchten und uns Vertrauen auf den Ewigen schenken.
Chag Chanukka Sameach!
Widmen möchte ich diesen Text meiner Mutter, die auch in stürmischen Zeiten ein so unbeschreiblich helles Licht für andere ist und es gleichzeitig schafft, sich selbst ein Licht zu sein und auch in ausweglos scheinenden Situationen nicht aufzugeben!