Intro.

von Richard Ettinger

Mein Vater hielt immer einen kleinen, handlichen Aktenkoffer mit allen wichtigen Dokumenten an einem sicheren Platz über dem Schrank im Schlafzimmer bereit. Noch vor einiger Zeit habe ich leichtfertig geschmunzelt und es als postsowjetische-postshoa Paranoia abgetan. Mittlerweile habe ich das Bedürfnis, diesen alten Koffer mit meinen Unterlagen zu füllen, sicher zu verstauen und selbst den Griff so zu positionieren, um ihn jederzeit mit einer Handbewegung mitnehmen zu können.

Seit dem Erscheinen unseres letzten Magazins sind neun Monate vergangen. Da wäre, um die vergangene Zeit einzurahmen, ein Rückblick angebracht. Doch was habe ich euch Neues zu erzählen? Was wäre erwähnenswert? Veränderungen?

Noch immer sind 101 Geiseln in Gefangenschaft. Noch immer ist ein Krieg im Gange, dessen Ende aussichtslos scheint. Noch immer ist ein immenser Rechtsruck zu spüren. Noch immer wird Antisemitismus an Hochschulen im Mantel der legitimen Israelkritik gekleidet. Noch immer wird die Definition so verstanden, dass man den Großteil der jüdischen Meinung als nicht richtig einschätzt und Gewalt gegen Juden und Pogrome rechtfertigt. Es hat sich nichts verändert. Es wird nicht besser, nein, es steht mittlerweile schlechter um uns. 

Die Allgemeinheit stellt fest, dass wir gerade jetzt safer spaces brauchen. Klar, bereitet uns  unsere kleinen Ghettos vor. Erst für die engere Community, dann für die Kunstszene. In allen Tätigkeitsfeldern, in denen wir unerwünscht sind. Wie damals in den Zünften, bei den Burschenschaften, der Politik. Lang hat unser Haskala Moses versucht, uns mit der Mehrheitsgesellschaft zu verheiraten. Hätte er gewusst, dass er, wie sein Namensgeber, eine Teilung der kulturellen Gewässer bei jeder Annäherung verursacht hat, wäre seine Meinung dann eine andere gewesen?

Liebe Leser*innen, 

das EDA Magazin vereint Stimmen, die sonst kein Gehör finden. Die Themen sind so vielfältig wie die beitragenden Autoren, denn jeder von uns hat seine individuelle Geschichte zu erzählen. Ob es um Antisemitismus, Islamfeindlichkeit oder die Sorge vor einer rechten Politik geht, haben wir doch eines gemeinsam: Wir machen uns Gedanken um unsere deutsche Identität. Die Identität, die man uns nehmen will. Denn auch wenn viele sich nicht als “deutsche” in einem überkommenen traditionellen Sinne verstehen, sind wir hier aufgewachsen und haben hier unsere multikulturellen Einflüsse dem Strom des Lebens hinzugefügt. Die Autor*innen, dieser Ausgabe machen sich Sorgen um ihr soziales Umfeld, welches häufig das Leben auf der Universität umfasst. Denn wer ist man, wenn man den Humanismus verteidigt und trotzdem jeden Tag als Kindermörder bezeichnet wird? Wir haben es geschafft eine Online-Redaktion aufzubauen, die auf aktuelle Themen eingeht. Jetzt laden wir die Leser*innen zu dieser künstlerisch gestalteten Printausgabe ein.