Ein Beitrag von Kathrin K.
Tatsächlich habe ich noch nie an einem Seminar innerhalb der jüdischen Bubble teilgenommen. Umso erfreuter war ich, als sich mir am Wochenende vom 28.3.-30.3.25 durch EDA die Gelegenheit angeboten hat, an einem Nevatim Seminar zu Jewish Leadership und Projektmanagement teilzunehmen. Nevatim ist ein Programm der Jewish Agency for Israel und wird durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat gefördert. Es unterstützt vielfältige Projekte zur jüdischen Bildung in Deutschland, besonders für junge Menschen. Dazu gehören unter anderem Fortbildungen zu sozialem Projektmanagement, Teamwork und Arbeit mit Freiwilligen. Auch das EDA Magazin wird von Nevatim gefördert. Der Platz reicht natürlich nicht aus, um allen Erfahrungen gerecht zu werden, aber ich versuche, euch einen Einblick in die Vielzahl von Veranstaltungen zu geben.
Unser Seminarwochenende begann in der Amadeu Antonio Stiftung. Alle Teilnehmenden stellten sich vor; wir waren eine große Gruppe an jungen jüdischen Menschen, die an spannenden Projekten und Organisationen mitarbeiten. Miki Hermer führte uns in ihre Arbeit innerhalb der Stiftung ein, stellte aktuelle Bildungsprojekte vor und erzählte, wie sich ihre Arbeit seit dem 7. Oktober verändert hat. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Weiterbildung von z.B. Lehrkräften. Hermer sieht einen großen Bedarf an Bildung zu Antisemitismus, zum Nahostkonflikt, zu Verschwörungsmythen und zu Handlungsmöglichkeiten im Schulkontext. In Klassenzimmern sei der Druck groß, es gebe viel Angst und wenig Wissen. Lehrer hörten oft einfach auf, über den Konflikt zu reden, was keine Lösung sein kann. Auch Teilnehmende betonten, dass strukturelle Reformen des Lehrplans oder direkt des Schulsystems wichtig wären, wobei allen natürlich bewusst ist, dass dies schwierig umzusetzen ist.
Weiter ging es mit den Seminaren zu Project Management und Team Culture. Hier wurden uns grundlegende Fähigkeiten vermittelt; von Communicate Like A Boss über die Eisenhower Matrix bis hin zu Budgeting & Funding; zu all den Themen durften wir innerhalb der nächsten Tage die Basics kennenlernen. Viele kennen diese zwar schon durch die Leitung ihrer eigenen Projekte, doch ich (vermutlich auch andere) fand es angenehm, Wissen aufzufrischen und Neues zu lernen. Mit diesen Grundlagen werden junge jüdische Menschen dazu ermächtigt, an ihren eigenen Projekten zu arbeiten und damit jüdisches Leben in Deutschland aktiv mitzugestalten. Geleitet wurden diese Seminare von Joey Leskin, der uns voller Energie durch die Themen führte.
Der Shabbat wurde von der angehenden Rabbinerin Leni eingeleitet; eine schöne Abwechslung, einer weiblichen Rabbinerin lauschen zu dürfen. Generell war es für mich das erste Mal, Shabbat von Anfang bis Ende mitzuerleben, anstatt nur mal an einem Freitagabend in meine Gemeinde zu gehen. Eine schöne Erfahrung ohne Frage.
Als jemand, die früher viel Kunst gemacht hat, während des Psychologiestudiums die Zeit und Motivation dafür verloren hat, war für mich der Kunsttherapie-Workshop von Nehama Grenimann Bauch sehr spannend. Der Fokus lag auf Mental Health and Volunteer Work – Post Traumatic Growth & Resilience. Nehama führte uns in verschiedene Konzepte von Trauma und Resilienz ein; denn wichtig zu wissen: Nicht jedes Trauma führt zu PTSD, sondern kann auch Resilienz bzw. post-traumatic growth bewirken. Unser Schwerpunkt lag auf jüdischem Trauma, wie Migration und Flucht. Wir durften selbst kreativ werden und erstellten Collagen, um das intergenerationale Trauma unserer Familien jeweils zu veranschaulichen. Ich hätte dem gerne mehr Zeit gewidmet. Doch auch in der kurzen Zeit kamen viele interessante Werke dabei raus.
Es gab noch viele weitere Workshops, da der Platz nicht ausreicht, um über alle ausführlich zu berichten, ich jedoch für den Input und die Arbeit allen sehr dankbar bin, sind hier die honorable mentions: Anastassia Pletoukhina (Direktorin Nevatim Programm, leitete zudem Project Management Building Blocks), Viktorija Kopmane (Imrov-Theater), Maria Kireenko (Organizational Development in Non-Profits), Valentin Lutset (Havdalah) und Michael Lerman (Social Media).
Zusammenfassend war dieses Wochenende eine wunderbare Erfahrung für mich. Bis Anfang dieses Jahres war ich noch gar nicht innerhalb der jüdischen Community aktiv und wusste auch nicht, wo ich anfangen sollte, um Anschluss zu finden und mich zu engagieren. Durch EDA nahm alles seinen Lauf und ich bin unendlich dankbar dafür und diese Gelegenheit gehabt zu haben. Ich konnte vieles aus diesem Wochenende mitnehmen und so viele spannende Menschen kennenlernen; sowohl die Workshopleiter*innen, als auch die Teilnehmenden. Größter Dank an dieser Stelle nochmal an alle!
Und was sagten meine Eltern, als ich mit unzähligen neuen Eindrücken nach Hause kam? „Na, war jemand Interessantes für dich dabei? ;)“. Ich bin mir sicher, dass jede*r mit jüdischen Eltern, vor allem aus dem Ostblock, diesen Satz kennt…