Kolumne von Keshet Deutschland e.V.
Der 07.10.2023 ist ein einschneidendes Datum für jüdisches Leben weltweit. Es ist nicht nur die Sorge um die Freilassung der Geiseln oder die Sorge, dass Israel sich wieder im Krieg verteidigen muss, es ist auch der Antisemitismus, der in der Diaspora medial sowie im Alltag wiederholt die Jargonfähigkeit erreicht hat.
Keshet Deutschland e.V. vertritt die Interessen von jüdischen Personen deutschlandweit, die der LGBTIQ+ Community angehören. (LGBTIQ+ ist ein Akronym für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans*. Inter, sowie Queer, das + steht für fluide Geschlechtsidentitäten und dient als Rahmen für viele weitere im Zusammenhang mit geschlechtlicher und sexueller Identität stehender Begriffe).
In religiösen Kontexten werden wir häufig gefragt, warum spielt Geschlechtsidentität und Sexualität in Religion eine Rolle? Der religiöse Raum ist ein geschlechtsfreier und so soll Hashem sein.
Das lässt sich allerdings nicht so gut trennen, im Gebet als solches wird aufgrund hebräischer Grammatik G’tt als männlich gegendert, in Gebetsräumen sitzen Personen meistens binär voneinander getrennt, und nach dem Gebet, beim Kiddush zum Beispiel, spricht man mit den Menschen um einen herum auch mal über Persönliches – für viele LGBTIQ*-Menschen sind solche Gespräche schwer.
Eine LGBTIQ+ Person hat Sorge, beim „Outing” nicht mehr zur Thora gerufen zu werden oder nicht mehr zur Gemeinschaft zu gehören. Vorurteile gegenüber andersgeschlechtlichen Menschen sind bei vielen vertreten. Also sind wir vorsichtig.
Dies ist mit ein Grund, warum Events von Keshet Deutschland nicht immer in Gemeindekontexten stattfinden können. Manchmal wollen wir unter uns sein und uns ohne Vorbehalte frei austauschen und gemeinsam feiern.
Wenn wir uns außerhalb der Gemeinde-Kontexte bewegen, ist der Aspekt der Sicherheit einer, den wir mitdenken müssen. Antisemitismus betrifft uns immer und eine Gruppe jüdischer Personen ist leider nie sicher. Das ist nicht-jüdischen Räumen fremd. Dass Polizeischutz bei größeren Veranstaltungen evaluiert werden muss, ist aus Vereinssicht nicht diskutierbar. Nicht-jüdische Räume meinen jedoch, darüber eruieren zu müssen. Während der vergangenen Monate wurden mehrere Beispiele hierfür medial bekannt.
Das bekannteste Beispiel von Keshet Deutschland, das viral gegangen ist, ist der private Instagram Post von unserem Keshetnik Dima Bilyarchyk. Seitdem es Keshet Deutscland e.V gibt, ist er in unserem Event Team aktiv. Für die Purim Party war das Event-Team mit dem Südblock in Kontakt – die Zusage schien sicher, da schon ein Angebot gemacht wurde, jedoch hat das Südblock nach dem 07.10.23 abgesagt. Die Gründe sind trotz Nachgespräch mit dem Südblock nicht nachvollziehbar.
Ein Einzelfall ist dies jedoch nicht, kurz darauf meldete „Karneval de Purim” eine ähnliche Erfahrung mit dem Zenner gemacht zu haben.
Wenn sich Räume – sowohl innerjüdisch als auch darüber hinaus – vor uns verschließen, wie können wir eine sichtbare Mehrheit generieren?
Im Fall der Purim Party hatten wir Glück, unsere Freunde der Fraenkelufer Synagoge haben dem Event-Team kurzfristig den Kontakt zum Sage Beach Club gegeben. Aber ohne diese jüdische Solidarität, was hätten wir dann gemacht?
Das Verständnis für jüdische Lebensrealitäten in der deutschen Mehrheitsgesellschaft ist sehr klein, umso mehr hoffen wir auf innerjüdische Solidarität, damit das jüdische Leben in Deutschland in seiner Diversität sichtbar gemacht werden kann.
Ari Elbert, Nicoleta Telocin (Vorstand Keshet Deutschland e.V.)
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