von Hanna Veiler
Ende April des vergangenen Jahres legte die Studie „Jugend in Deutschland“, die seit 2020 jedes Jahr erscheint, alarmierende Ergebnisse vor. 22 Prozent der Wähler und Wählerinnen unter 30 geben an, bei der nächsten Wahl die rechtsextreme, offen rassistische und strukturell antisemitische AfD wählen zu wollen. Die Erklärversuche für diesen Zustand fallen vielfältig aus. Mehr junge Menschen als jemals zuvor geben im Rahmen der Studie auch an, pessimistisch in die Zukunft zu blicken. Stress, psychische Belastung und Gefühle der Hilflosigkeit, ausgelöst durch anhaltende Krisen, sei es Kriege oder die Wirtschaft, bestimmen heute das Leben junger Menschen in einem gefährlichen Ausmaß. So gefährlich, dass viele von ihnen bereit scheinen, eine faschistische Partei an die Macht zu wählen.
Dies ist keinesfalls ein Zufall. Faschistoide, menschenverachtende Ideologien profitieren von Krisen, gesellschaftlicher Spaltung und in diesem Fall von konkreten Ängsten junger Menschen.
Heruntergebrochen bedeutet das: Wer meint auf eine ungewisse Zukunft zu blicken, setzt sein Häkchen viel schneller bei einer Partei, die behauptet „Ordnung schaffen zu wollen“ oder bei einer Partei, die leicht Sündenböcke für anhaltende Krisen bereitstellt. Letztendlich also bei einer Partei, die einen starken „Führer“ verspricht, der komplizierte demokratische Vorgänge obsolet machen würde. Wir wären lange nicht die erste Generation, die auf diese Weise schon bald in einer Diktatur aufwachen könnte.
Gerade in diesem gesellschaftlichen Klima können Verschwörungserzählungen, Antisemitismus und Rassismus problemlos noch stärker Fuß fassen. Befeuert wird das ganze durch die konkrete Instrumentalisierung sozialer Netzwerke, wo gerade junge Menschen durch extrem verkürzte Inhalte erreicht werden können. Dies richtig auszuführen wäre einen eigenen Text wert, doch in Kürze gefasst: Es ist alles andere als Zufall, dass gerade die AfD mehr Geld für ihre TikTok Präsenz ausgibt, als jede andere Partei.
Als Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion stelle ich mir aber vor allem die Frage, inwiefern dieser politische Trend auch junge Jüdinnen und Juden betreffen könnte. Schließlich sind wir Teil dieser Gesellschaft. Krisen und Inflation treffen uns genauso, wie den Rest der Menschen in diesem Land – bzw. in den meisten Fällen noch stärker. Wir sind genauso auf TikTok und konsumieren in Teilen, meistens unbewusst, dieselbe rechtsextreme Propaganda, wie viele unserer Gleichaltrigen. Doch am wichtigsten ist wohl die Tatsache, dass junge Jüdinnen und Juden in den vergangenen 15 Monaten durch die wohl schwierigsten Krisen ihres Lebens gegangen sind. Gefühle der Unsicherheit, Ausschluss und Existenzängste sind alles andere als abstrakte Dinge für uns. Im Gegenteil: Für viele sind sie Teil ihrer täglichen Realität.
Währenddessen versucht die rechtsextreme AfD bereits seit Jahren Antisemitismus und Ängste von Jüdinnen und Juden für ihre rassistische Agenda zu instrumentalisieren. In Vereinigungen wie den sogenannten „Juden in der AfD“ sieht man diese schandhaften Bemühungen Früchte tragen. Auch wenn die Gruppierung eine nicht-repräsentative, kleine Randgruppe, darstellt, erreichen ihre geschichtsrevisionistischen, menschenverachtende Weltbilder immer mehr verunsicherte junge Menschen und können diese zu überzeugten Ideologen machen.
Gerade jetzt ist es daher wichtiger denn je, Widerstand gegen den Rechtsruck – außerhalb und innerhalb der Community – zu zeigen. Vor allem für junge Menschen, die in den nächsten Jahren dafür anfällig sein werden, braucht es Angebote und Bildungsmöglichkeiten.
Die Brandmauer bröckelt überall, auch in unseren eigenen Wänden. Und es liegt an uns, Werkzeuge in die Hand zu nehmen, diese Mauer zu renovieren und den Hass nicht hineinzulassen.