TW AfD, Frauenhass, Rassismus & mehr
Dieser Beitrag wurde uns anonym zugesendet. Anonyme Beiträge haben uns in der Vergangenheit nur in äußerst seltenen Fällen erreicht. Es war immer dann der Fall, wenn Beitragende um ihre Sicherheit besorgt waren. Wir als Sprachrohr junger jüdischer Menschen in Deutschland nehmen diesen Zustand sehr ernst. Dass man nun Sorge hat, innerhalb der eigenen Community seine Meinung zu äußern und sich gegen diffamierende, beleidigende und homophobe Beiträge auszusprechen, ist eine Entwicklung, die uns bestürzt. Wir ergreifen Maßnahmen und zeigen, dass wir uns als Magazin im öffentlichen Raum nicht klein machen lassen.
Es begann vermutlich mit einer WhatsApp-Gruppe.
Die „Jewish debate group (uncensored)“. Dort finden sich Aussagen wie „Alice Weidel und Krah sehen die Juden als hochwertige Menschen. Für mich reicht es, um die AfD zu wählen.“ sowie „Ich kann diese Beärbock nicht mehr ertragen, eine furchtbare weißfotzige Weibe, die muslimische Schwänzen lutscht.“
Diese pro-AfD, sexistischen, muslimfeindlichen und „Supremacy“ Ansichten finden sich auch in der Gruppe, die aus der „Jewish debate group (uncensored)“ hervorgegangen ist: „Betar Germany“.
Die international agierende, rechtskonservative Jugendbewegung Betar geht auf den Gründer des revisionistischen Zionismus, Ze‘ev Jabotinsky, zurück. Mit nach eigenen Angaben über 30 Ortsgruppen veranstaltet die Organisation Leadership-Programme in Israel, sowie Konferenzen und Seminare sowie vormilitärische Vorbereitungskurse.[1]
Inwieweit Betar Germany tatsächlich als offizielle Zweigstelle von Betar handelt, wird auf den ersten Blick nicht klar. Die einzige Präsenz neben der internen WhatsApp-Gruppe ist der im September 2024 ins Leben gerufene Instagram-Account „@betar_germany“.
Die Kommentare des selbsternannten Leiters von Betar Germany, Amir M., auch unter dem Pseudonym „Morgenthau“ bekannt, zum Jahrestag des Massakers der terroristischen Hamas am 7. Oktober 2024 erinnern dabei eher an AfD-Rhetorik als an revisionistisch-zionistische Ideale, so in etwa, wenn er „Abschiebeoffensive“ und „Flughäfen, statt leere Worte“ fordert.
Das verwundert wenig, denn an Wahlaufrufe für die AfD mangelt es in den internen Chats nicht, so wenn unter anderem Amir M. und andere wiederholt ihre Sympathien für die in weiten Teilen gesichert rechtsextreme Partei aufgrund ihrer „Remigrationsphantasien“ bekunden.
Darüber hinaus findet sich in der Betar Germany WhatsApp-Gruppe auch Artur Abramovych, Co-Gründer und Bundesvorsitzender der Juden in der AfD.[2] Abramovych ist bekannt unter anderem für ein früh aufgelöstes Format „Dumme Juden, kluge Juden“, in dessen erster Folge er sich der Theologin Margot Käsmann annimmt, die sich zuvor in einem Video der Bildungsstätte Anne Frank gegen die AfD-nahe Desiderius Erasmus Stiftung ausspricht. Er sagt diffamierend über sie: „Im klassischen Judentum gibt es, wie ich an dieser Stelle betonen möchte, keine weiblichen Geistlichen und Margot Käsmann ist das beste Beispiel dafür, dass es gut so ist.“[3] In der zweiten, mittlerweile gelöschten Folge wirft er zwei jüdischen Damen aufgrund ihres Aussehens fälschlicherweise vor, „deutsche Österreicherinnen, die zum Judentum konvertiert sind“, zu sein.[4]

Auch Amir M. greift auf X (ehemals Twitter) unter dem Namen @morgenthau15 direkt Personen aus der jüdischen Gemeinde öffentlich an. So schrieb er am 7. Dezember 2024 unter einem Post der Jüdischen Allgemeine über Joseph Schusters Einordnung der AfD und der BSW als „gefährlich“: „Schuster ist eine größere Gefahr für uns Juden, als die gesamte AfD“.

Zum Teil werden weitere krude Ansichten Amir M.s ersichtlich. So forderte er im Januar 2025, KZ-Gedenkstätte zu schließen. Hierbei behauptet er, dass „extrem linke Deutsche, die in Gedenkstätten arbeiten und den muslimischen Antisemitismus in ein Wiedererstarken des NS uminterpretieren“ und daher „die größten Nutznießer des Antisemitismus“ seien.

Amir M. scheut sich auch nicht davor, den rechtsextremen Begriff „Schuldkult“ zu verwenden. Als Jude sei er „gegen diese Indoktrination“.

Amir M. neu-rechtes, völkisches Weltbild wird dabei in seinem Artikel vom 12. September 2024 bei NIUS deutlich. So schreibt er:
„Die Lebensqualität wird nicht an der deutschen Kernbevölkerung gemessen, sondern an denen, die in Deutschland zu Gast sind, um von den zivilisatorischen Errungenschaften des Gastgebervolkes und des Sozialstaates zu profitieren. Es geht nicht darum, wie es dem Volk geht, sondern wie das Volk mit seinen Gästen umgeht.“[5]
Menschen mit Migrationshintergrund werden nicht als Teil des „Gastgebervolkes“ angesehen.
Ein weiterer Aktiver aus dem Umfeld von Betar Germany ist „Yehonatan“, der auf X mit dem Namen @ashkenaszi von anderen als „Jüdischer Volksgenosse“ bezeichnet wird und keine Berührungsängste gegenüber extremistischen Gruppen aufzeigt.
So zitiert er in einem Post mit einem Bild von zensierten Betar Germany Aktivisten Avraham Stern, dem Gründer und Leiter der radikal-zionistischen paramilitärischen Terrororganisation „Lechi“. Dieselbe Gruppe, die auch als „Stern-Bande“ bezeichnet wurde, wurde eine lange Zeit von den liberal demokratischen „Mainstream“ Zionisten als „Deserteure“ angesehen wurden und war unter anderem verantwortlich für das Massaker an palästinensischen Zivilisten in Deir Yassin im Jahre 1948 bekannt.


Der offene Hass gegenüber arabischen Menschen wird in weiteren Posts von Yehonatan evident, so wenn er einen guten Morgen wünscht und dabei ein Bild eines Covers mit dem Rassisten Meir Kahane zeigt, oder wenn er Kahanes Ansicht zur Vertreibung aller Araber in Israel, dem Gaza-Streifen und der West-Bank gutheißt.

Auch bei Yehonatan wird ein völkisch-rassistisches Weltbild ersichtlich, wenn er etwa äußert, sich um ein „ethnisch-reinen Europa“ zu sorgen.

In wiederholten Tweets scheint @ashkenaszi gewisse Sympathien mit Erik Ahrens zu zeigen. Ahrens agierte viele Monate als wichtiger Social-Media-Berater von AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl Maximilian Krah und verhalf ihm zu einer großen Plattform bei TikTok. Bald wurde er aber selbst der AfD zu radikal, da er auf diversen sozialen Medien dafür plädiert,
Rassenlehre wieder als Schwerpunkt rechter Ideologien zu setzen.[6]

Zuletzt offenbart Yehonatan seine offene Homophobie, so wenn er wiederholt „schwul“ und „Gay“ kommentiert, und Magnus Hirschfeld, dem jüdischen Gründer der ersten deutschen Homosexuellenbewegung, als „Bastard“ und „Untermensch“ bezeichnet.

Allem in allem versucht sich Yehonatan selbst bei Rechtsextremen, die offen Antisemitismus hegen, anzubiedern und sie für die Ideen von „Ethnopluralismus“ zu überzeugen. Bei diesem Konzept der Neurechten wird wie beim klassischen Rassismus behauptet, es gäbe unveränderliche Eigenschaften von Menschengruppen, die daher getrennt und ihren „Ursprungsländern“ zu leben hätten.[7]
Zuletzt ist eine weitere Person mit Betar Germany affiliert, die bereits in der Vergangenheit mit radikalen, antipalästinensischen Aussagen aufgefallen ist. Während einer Gegenkundgebung an der FU Berlin am 8. Februar 2024 rief diese Person pro-palästinensischen Demonstranten zu: „Mögen eure Dörfer brennen“. Der betreffende Ausspruch wird von extremistischen israelischen Siedlern in der Westbank verwendet, die beabsichtigen, die dort ansässige palästinensische Bevölkerung zu vertreiben. Einige Tage nach diesem Vorfall erklärte das Team von „Jewish Life Berlin“ die Person von ihrem Amt als Vizepräsident der Gruppe zu entbinden und sich von den getätigten Aussagen zu distanzieren. Die JSUD begrüßte dieses Vorgehen öffentlich. Die FU selbst stellte Anzeige.[8]
Inzwischen scheint die Person, der bereits in mindestens einer der oben erwähnten Gegenkundgebungen gemeinsam mit Amir M. gesichtet wurde, bei Betar Germany eine Plattform zu finden, wo man für solche extremistischen Ansichten nicht abgestoßen wird – im Gegenteil.

Bei ihrem ersten offiziellen Treffen in Amsterdam trafen sich die Leiter von Betar Germany unter anderem mit dem Vorsitzenden der World Zionist Organisation (WZO), Yaakov Hagoel. Inwieweit Betar World und die WZO informiert sind, welche radikalen Ansichten die Leiter der neu gegründeten Gruppe vertreten und bei den neuen Anhängern von Betar Germany verbreiten, ist unbekannt.
Es steht allerdings fest, dass Betar Germany unter Führung von Personen wie Amir M. und mit tonangebenden Aktiven wie Yehonatan zu einer radikalen Organisation verkommt, in der pro-AfD-Positionen, Sexismus, Muslimfeindlichkeit, Rassismus und Homophobie, sowie offene verbale Angriffe gegen jüdische Andersdenkende propagiert werden.
[1] https://betar.org.il/en/about-us/
[2] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/in-der-partei-der-nazi-verharmloser-warum-ein-judischer-netzwerker-sein-heil-in-der -afd-sucht-11431586.html
[3] https://youtu.be/fWxltcs1D1A
[4] https://youtu.be/uM2r9RGySKM
[5] https://www.nius.de/analyse/news/niemand-wird-euch-retten-die-deutschen-muessen-sich-selbst-helfen/4bcdeac8-57f9-45d69de3-ab3256e7c979
[6] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus254093182/Erik-Ahrens-Der-brutale-Absturz-des-neurechten-Shootingstars-hat-G ruende.html
[7] https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/500773/ethnopluralismus/
[8] https://www.morgenpost.de/berlin/article241655662/Moegen-eure-Doerfer-brennen-FU-Berlin-erstattet-Anzeige.html