Antonia Sternberger, Die Geschichte jüdischer Student*innen an deutschen Universitäten.
EDA. Ein junges jüdisches Magazin, gegründet von der Jüdischen Studierendenunion, betrieben von jüdischen Autoren und Autorinnen mit Bezug zum Judentum.
Gegründet, um jüdische Pluralität in die Welt zu tragen.
In der Welt, um jüdische junge Selbstverständlichkeit abzubilden.
Gekommen, um zu bleiben.
Demut und Stolz erfüllt mich Teil dieser Redaktion zu sein. Zu sehen, wie junge jüdische Menschen ihre Gedanken schriftlich und künstlerisch festhalten. Zu sehen, wie unterschiedlich wir sind und wo unsere Gemeinsamkeiten liegen.
Es fühlt sich wehmütig an, am EDA Magazin mitzuwirken.
Gerade in Angesicht des 07. Oktober und des aktuell grassierenden Antisemitismus gewinnt die Existenz, von EDA, noch mehr an Bedeutung.
Einen Ort zu haben, an dem seine Meinung, seine Gedanken nicht versteckt werden müssen, sondern sie selbstbewusst geteilt und gehört werden können.
EDA fühlt sich an wie eine Oase. Eine Oase, die in unsicheren Zeiten Wasser spendet.
Beim Erleben dieser Gegenwart kommen jedoch auch unweigerlich Fragen und Gedanken zur Vergangenheit auf.
Existierten schon mal junge jüdische studentische Magazine in Deutschland?
Was waren ihre Schwerpunkte?
Wo liegen eventuelle Gemeinsamkeiten zu EDA?
Hat es wirklich bis zum Jahr 2024 gedauert, bis wieder ein junges jüdisches Magazin in Deutschland veröffentlich wurde?
2021 feierte man in Deutschland 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, da der früheste Beleg für die Anwesenheit von Jüdinnen und Juden auf dem Gebiet, das heute Deutschland darstellt, aus dem Jahr 321 stammt. In diesen 1700 Jahren haben Millionen von Jüdinnen und Juden gelebt, gearbeitet, gebetet, geliebt und geträumt.
Teil dieses jüdischen Lebens waren schon immer junge jüdische Menschen.
Als mit der Ausrufung des Deutschen Kaiserreiches 1871 zumindest formaljuristisch Jüdinnen und Juden die gleichen Rechte, wie der christlichen Mehrheitsgesellschaft gewährt wurden, ergriffen junge Jüdinnen und Juden die Möglichkeit an die Universitäten zu gehen und zu studieren.
Wie auch heute sehnten sie sich auch im akademischen Bereich nach Gemeinschaft, so dass sich verschiedene Vereinigungen und Verbindungen gründeten, wie etwa 1886 die erste exklusiv jüdische Studentenverbindung Viadrina in Breslau oder das zionistische Kartell Jüdischer Verbindungen.
Diese Bewegungen legten einerseits den Fokus auf ein assimiliertes deutsches Judentum, andererseits sahen sie ein freies Leben in Deutschland als gescheitert an und wandten sich dem Zionismus zu.
Das Kartell jüdischer Verbindungen brachte von 1918 bis 1937 mit Unterbrechungen das Magazin “Der Jüdische Wille” heraus, welches aus der seit 1902 publizierten Zeitschrift “Der jüdische Student” hervorging. In diesem beschäftigten sich die Studenten vor allen Dingen mit der zionistischen Idee und der Lage des Zionismus in Deutschland.
Es wurden jedoch auch Buchbesprechungen und Briefwechsel veröffentlicht, sowie Artikel zu Philosophie, Makkabi und Neuhebräischer Literatur. Antisemitismus treibt die jüdischen Studenten nicht erst nach der Machtergreifung, sondern bereits 1920 um.
So schreibt einer der Autoren: “Sich deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens zu nennen und nach wie vor, es sei wie es sei, wacker und fortschrittlich das alte Panier zu entrollen — das muss in heutigen Zeiten ein überaus schwieriges Geschäft sein”.
Es wird deutlich, dass entgegen viel verbreiteter falscher Annahmen Judenhass schon immer in Deutschland verbreitet war und somit Teil der Lebensrealität von jungen Jüdinnen und Juden wurde.
Zu sehen, dass “Der Jüdische Wille” dennoch entgegen vielen Widrigkeiten mit zeitlicher Unterbrechung bis 1937 publiziert wurde, die Herausgeber, Redakteure und Mitwirkenden sich ihre jüdische Stimme nicht haben nehmen lassen, berührt.
Die Verfolgung der deutschen und europäischen Jüdinnen und Juden, die in der Shoah gipfelte, setzte den studentischen Verbindungen, sowie Magazinen ein Ende und ließ die schon damals bestehenden vielfältigen jüdischen Stimmen (fast) erlöschen.
Umso bedeutender ist die Tatsache, dass sich kurz nach der Shoah auf deutschem Boden wieder junge jüdische Studenten versammelten und zu Vereinigungen zusammenschlossen.
1968 entstand mit der Gründung des Bundes Jüdischer Studenten in Deutschland (BJSD) eine bundesweite Vertretung, um sich der Interessen junger jüdischer Menschen anzunehmen.
Trotz großen Einsatzes nahmen die Aktivitäten des BJSD über die Jahrzehnte immer mehr ab, so dass 2016 die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) ins Leben gerufen wurde. Diese unterstützt junge Jüdinnen und Juden in Deutschland dabei sich gesellschaftlich zu engagieren und ihre “jüdischen und gesellschafts- politischen Interessen zu bündeln”.
Rund 8 Jahre später erweckt die JSUD das Magazin “EDA” zum Leben, um abermals jüdischen Stimmen, die so häufig unerhört bleiben, gehört zu werden. Ein Ventil, durch das sie sich ausleben können.
Ein sicherer Hafen.
Ein Zeichen jüdischer Resilienz.
Ein Zeichen des Überlebens.
Ein Kreis, der sich schließt.
Damit auch in den nächsten 1700 Jahren jüdisches Leben in Deutschland so vielfältig bleibt, wie es immer war.