Von bayerischem Hochmut

von Ron Dekel

Vielerorts vergessen viele nichtjüdische Personen, besonders aber Politikerinnen und Politiker, dass Antisemitismus auch außerhalb von Berlin stattfindet.

Auch in Bayern wird Antisemitismus an Universitäten häufig als lokales Phänomen gebrandmarkt, das, wenn überhaupt, nur in anderen Millionenstädten Deutschlands ein Thema ist. Um diese Behauptungen zu falsifizieren, braucht man sich eigentlich bloß vor eine beliebige Hochschule im Freistaat zu stellen: Wenn keine sichtbaren Hasstiraden gegen Jüdinnen und Juden schon vor dem Unigebäude stattfinden, so lohnt es sich auch hier, eine geisteswissenschaftliche Veranstaltung zu besuchen. In diesen Vorlesungen und Seminaren ist die Wahrscheinlichkeit besonders groß, dass jede noch so entfernt scheinende Theorie mit roher Gewalt auf den Nahostkonflikt übergestülpt wird, um Israel zu dämonisieren.

Und dennoch: Immer wieder schwärmen bayerische Politikerinnen und Politiker von „unseren bayerischen Zuständen“ – auch in Bezug auf Antisemitismus. Hier müsse man sich nicht wie in Berlin fürchten. Dass aber in der eigenen Landeshauptstadt das am längsten stehende antisemitische Camp Deutschlands über sechs Monate den Lehrbetrieb der Münchener Universitäten stören durfte, wird verschwiegen. Ein Camp, von dem die Süddeutsche Zeitung titelt, dass hier mutmaßliche Hamas-Mitglieder auf Studenten zugeschnittene Workshops halten durften.

Passend dazu schwärmt am 07. Oktober der Politiker, der diesen bayerischen Hochmut verkörpert wie kein Zweiter von seinem Bundesland: Hier hätte keine Gegendemonstration zum Gedenken der Hamas-Opfer stattgefunden. Tatsächlich gab es eine, aber von jemandem, der nur zum Gedenken erscheint, um Floskeln zu reproduzieren und danach direkt wieder geht – von dem kann auch nicht verlangt werden, sich mit solchen Nichtigkeiten abzugeben.

Und während all’ das im wunderschönen Bayern passiert, verfasst Hubert Aiwangers Bruder ein weiteres Flugblatt, demonstrieren Antisemiten auf dem Geschwister Scholl Platz und sehen sich – parallel zu Jana aus Kassel – als die Weiße Rose von heute.

Im Grunde haben die Politikerinnen und Politiker ja auch Recht. Wir haben keine Berliner Zustände. Bei uns herrschen bayerischen Verhältnisse.