16/10/24
Chiara Lipp ist studierte Grundschullehrerin und aktuell Doktorandin und Lehrbeauftragte in den Bereichen Mehrsprachigkeit und DaZ. Sie engagiert sich bei Meet a Jew, dem EDA Magazin und im Religionsreferat der Jüdischen Studierendenunion Deutschland. Chiara ist Mitglied der Gemeinde Mischkan ha-Tfila Bamberg und arbeitet als Religionslehrerin in der Gemeinde Beth Shalom München.
Kaum ist das Ne’ila Gebet an Jom Kippur gesprochen, beginnen die Vorbereitungen für den nächsten wichtigen Feiertag: Sukkot. Das Laubhüttenfest ist eines der drei Wallfahrtsfeste und erinnert an den Auszug aus Ägypten und die damit verbundene Wüstenwanderung. Die Vorbereitungen haben es jedoch in sich: Aufbauen und Dekorieren der Sukka (falls die Sukka nicht stabil genug gebaut wurde, ist eine Wiederholung dieses Punktes durchaus möglich), die Planung der Mahlzeiten, das Verschicken der Einladungen sowie das Besorgen von Etrog und Lulav, auch Arba minim genannt. Wobei letzteres meist schon deutlich früher geschieht, da der Import aus Israel doch eine längere Zeit in Anspruch nimmt. Das Judentum ist bekannt für die vielen symbolischen Elemente, die jeden unserer Feiertage begleiten. Von den süßen Hamantaschen, dem bunten Sederteller bis hin zum knackigen Apfel an Rosch Haschana. Doch für was genau stehen Etrog und Lulav und können wir auch heute noch unsere Lehren aus der Symbolik ziehen?
Arba minim, in der deutschen Übersetzung auch „die vier Arten“, beschreiben die vier Bestandteile, aus denen der Feststrauß zu Sukkot gebunden wird und die wir während des Gebetes schütteln. Schon im 3. Buch Mose 23 finden wir Hinweise auf dieses Gebot. Umgangssprachlich sprechen wir lediglich von Lulav und Etrog, jedoch gehören noch zwei weitere Pflanzenarten dazu: Arawot und Hadassim.
Diesen vier Arten werden von den Weisen ganz unterschiedliche Bedeutungen und Symboliken zugeordnet. Eine der Interpretationen bezieht sich auf die vier Arten jüdischer Menschen, die im Judentum vertreten sind. Betrachten wir sie nacheinander:
Der Etrog (Zitrusfrucht) steht für all diejenigen, die die Tora studieren und gleichzeitig gute Taten vollbringen. Denn der Etrog ist sowohl für seinen Geschmack, als auch für den guten Geruch bekannt.
Die Hadassim (Myrtenzweige) stehen für all diejenigen, die nicht die Tora studieren, jedoch gute Taten vollbringen. Denn die Weidenzweige haben zwar keinen Geschmack, riechen aber sehr gut.
Der Lulav (Palmwedel) steht für all diejenigen, die die Tora studieren, allerdings keine guten Taten vollbringen. Die Früchte der Dattelpalme haben einen süßen Geschmack, der Lulav an sich hat jedoch keinen Geruch.
Die Arawot (Bachweiden) stehen für all diejenigen, die nicht die Tora studieren und auch keine guten Taten vollbringen, da die Zweige der Bachweide weder Geruch noch Geschmack haben (vgl. Lucas o.D.).
Bei den Arba minim kommt keinem Element mehr Bedeutung zu als dem anderen. Sobald eines fehlt oder beschädigt ist, ist der Lulav nicht koscher und damit für Sukkot nicht zu gebrauchen. Jeder Teil ist zudem sehr empfindlich und muss achtsam behandelt werden. Lasst uns diesen Gedanken mit durch die kommenden Feiertage nehmen und uns stets darauf besinnen, was das Judentum ausmacht: eine vielfältige, bunte und starke Gemeinschaft, in der jede:r seinen oder ihren Platz hat und unsere jüdische community dadurch noch wertvoller macht. Wir alle sind mehr oder weniger religiös, setzen andere Prioritäten im Leben und sind uns manchmal – wie das eben so ist – auch nicht immer einig. Aber genau das macht uns aus und bringt uns weiter!
Sukkot Sameach!
Lucas, A. (o.D.): The Arba’ah Minim. The Rabbinical Assembly. https://www.rabbinicalassembly.org/story/arbaah-minim (24.09.24)