Ein Dammbruch für die Demokratie – Wie die AfD zur Mehrheitsbeschafferin wurde

von Glenn Trahmann

Der 29. Januar 2025 – ein schwarzer Tag für unsere Demokratie. Nicht nur aufgrund des Antrags an sich, sondern weil eine Mehrheit aus Union, FDP und AfD gebildet wurde – und zwar mit der AfD, einer rechtsextremen Partei. Diese Allianz ist für mich als Jude besonders erschreckend, denn sie zeigt, wie wenig Verantwortung für die Geschichte dieses Landes getragen wird.

Beim Thema Antisemitismus offenbart sich auch, wie wenig alle Parteien dieses Problem wirklich ernst nehmen. Statt gemeinsam gegen Antisemitismus zu kämpfen, werfen sich die politischen Spektren gegenseitig vor, der Ursprung des Antisemitismus liege auf der jeweils anderen Seite. Die einen sagen, er komme ausschließlich aus dem rechten Spektrum, die anderen behaupten, er komme nur aus dem linken Spektrum. Aber die Wahrheit ist: Antisemitismus kommt aus allen Spektren – aus der Mitte, aus dem linken, aus dem rechten und aus dem islamistischen. Es ist nicht die Schuld einer einzigen Partei oder Strömung, sondern eine Verantwortung, die wir alle in Deutschland tragen müssen.

Es ist umso dramatischer, wenn man bedenkt, dass nur wenige Stunden vor der Abstimmung ein Holocaust-Überlebender im Bundestag über seine Familie und seine Erlebnisse berichtete. Der Bundespräsident mahnte die Gesellschaft dazu, wachsam zu bleiben und darauf zu achten, dass wir die Demokratie schützen – besonders in Zeiten, in denen ihre Gefährdung längst nicht mehr nur am Anfang, sondern bereits im fortgeschrittenen Stadium steckt. Doch während diese Worte ausgesprochen wurden, spielte sich in Wirklichkeit das genaue Gegenteil ab.

Am 29. Januar haben wir wieder Folgendes gesehen: Alle Parteien und Spektren machen sich gegenseitig Vorwürfe, wer dafür verantwortlich ist, dass dieser Antrag durch die Stimmen der AfD eine Mehrheit erlangt hat.

Doch dieses gegenseitige Schuldzuschieben führt nur dazu, dass wir den eigentlichen Feind nicht ernsthaft bekämpfen. Stattdessen stärken wir genau die Kräfte, die wir bekämpfen sollten. Und an diesem 29. Januar hat sich das auf dramatische Weise erneut gezeigt.

Das ist nicht nur ein Versagen der FDP und der CDU. Es ist ein Versagen aller Fraktionen und Gruppen im Bundestag! Die SPD, die Grünen, die FDP, die CDU, die Linken und das BSW – haben heute versagt. Diese Fraktionen und Gruppen haben nicht ausreichend gegen diese gefährliche Entwicklung Stellung bezogen.

Es geht nicht nur darum, wer mit wem zusammenarbeitet, sondern darum, dass alle Parteien diese Gefahr nicht ernst nehmen. Es geht darum, dass alle Parteien zulassen, dass sich rechtsextreme Kräfte wie die AfD ihre Plattform verschaffen und diese Allianz möglich wird. Diese Parteien verharmlosen das Erbe des Nationalsozialismus und relativieren die Verantwortung, die wir alle für den Schutz der Demokratie und die Erinnerung an den Holocaust tragen.

Es ist erschreckend, dass die Verantwortung für die Vergangenheit und die Demokratie von allen Seiten ignoriert wird, während sich die politische Realität immer weiter von den Werten entfernt, die uns als Gesellschaft zusammenhalten sollten. Alle Fraktionen und politischen Gruppen tragen Verantwortung – und genau deswegen müssen wir uns fragen, warum diese nicht ernst genug genommen wird.

Doch nur zwei Tage später zeigte sich, dass es auch anders geht.

Am 31. Januar 2025 sollte das sogenannte „Zustrombegrenzungsgesetz“ der CDU zur Abstimmung kommen. Es wurde jedoch mit 350 zu 338 Stimmen abgelehnt, weil zwölf Unionsabgeordnete und 16 FDP-Abgeordnete entweder nicht zur Abstimmung erschienen oder mit Nein stimmten. Damit wurde eine erneute Mehrheit unter Einbeziehung der AfD verhindert.

Doch auch dieses Vorgehen zeigt die demokratischen Defizite im Bundestag: SPD und Grüne hatten vorgeschlagen, den Gesetzentwurf in die Ausschüsse zu verweisen, um eine ausführliche Beratung zu ermöglichen. Dies wurde von CDU und FDP jedoch abgelehnt. Gleichzeitig schlug die FDP ihrerseits eine Rückverweisung an den Innenausschuss vor – allerdings unter Bedingungen, die SPD und Grüne nicht akzeptierten. Das Ergebnis: Das Gesetz wurde abgelehnt, doch die demokratiegefährdenden Taktikspielchen gehen weiter.

Am Freitag haben wir eine andere Entwicklung gesehen als am Mittwoch. Aber es bleibt die Frage: Was sagt es über unsere Demokratie aus, wenn solche parlamentarische Mehrheiten nur durch das bewusste Fernbleiben von Abgeordneten oder taktische Machtspielchen verhindert werden können?

Es ist Zeit, mit den gegenseitigen Schuldzuweisungen aufzuhören.

Es ist Zeit für alle demokratischen Fraktionen im Bundestag, zusammenzuarbeiten und nach Kompromissen zu suchen.

Erst dann werden wir es schaffen, die wahre Gefahr zu bekämpfen – die AfD.

„Geschichte wiederholt sich nicht, sie reimt sich.“