Die Stimmung in Deutschland ist gekippt. Etwas ist zerbrochen. Ich weiß nicht genau, was — und es wäre gelogen zu behaupten, davor sei alles heil gewesen. Aber zumindest gab es eine Zeit, in der gewisse Dinge unsagbar waren. Diese Zeit scheint vorbei. Nachdem der erste Besuch des Kulturstaatsministers noch dem Zentralrat der Juden galt, scheinen jüdische Interessen in der Bundesregierung inzwischen weniger Gewicht zu haben. Aussgen und Entscheidungen werden getroffen, die in einem Deutschland der „Staatsräson“ eigentlich nicht möglich sein sollten.
Verständlicherweise herrscht nach diesem Bruch — und nach dem 7. Oktober — in der Community eine reflexartige Haltung, inneren Konflikten aus dem Weg zu gehen, um Spaltungen zu vermeiden. Das ist einerseits nachvollziehbar und in Teilen richtig: Nur geeint können wir einem wachsenden antisemitischen Mob vor unserer Haustür entgegentreten.
Es ist unbestreitbar, dass es Menschen gibt, die gezielt von innen heraus schaden wollen oder sich auf Kosten der Community öffentlich äußern, einzig um sich in der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu profilieren. Dem muss entschieden entgegengetreten werden. Und trotzdem: Nicht jede konstruktive, liebevolle Kritik von innen ist gleich ein Verrat oder ein revolutionärer Umsturzversuch.
Harmonie um jeden Preis durchsetzen zu wollen, bedeutet auch, keinen Druck auf dringend notwendige Veränderungen ausüben zu können. Dazu gehör die konsequente Aufarbeitung sexueller Übergriffe ebenso wie die Klärung der Frage nach der Patrilinearität, die wahrscheinlich drängendste Frage innerhalb unserer Community. Eine Frage, die geklärt werden muss, bevor sie uns von innen heraus zerreißt.
Dieses Magazin wurde gegründet, um jungen Jüdinnen und Juden eine Stimme zu geben — in der Mehrheitsgesellschaft, aber ebenso wichtig: auch innerhalb der eigenen Community. Es soll ein lang ersehnter Diskursraum sein, ein Ort, an dem wir uns frei und ohne Angst vor Stigmatisierung oder Fehlinterpretation äußern können. Hier wollen wir Themen ansprechen, die sonst oft untergehen, Perspektiven sichtbar machen, die in der öffentlichen Debatte fehlen, und Diskussionen führen, die sowohl nach außen als auch
nach innen notwendig sind. Das Magazin versteht sich dabei nicht nur als Plattform, sondern auch als Werkzeug, um Vernetzung zu fördern, Missstände zu benennen und positive Veränderungen anzustoßen — selbst dann, wenn dies unbequem ist.
Geeint, ja — aber nicht um den Preis, die notwendigen Diskussionen und Veränderungen innerhalb unserer Gemeinschaft zu unterdrücken.

