Besetzung gegen Antisemitismus

Von Joscha Kaiser

Kuchen, Fladenbrot und Hummus, aus den Boxen Liraz Charhi; die 15 anwesenden Studierenden im Gespräch beim Kaffee, am Laptop oder beim Banner-Malen – die Stimmung im Plenarium des AStA (Allgemeiner Studierenden Ausschuss) der Technischen Universität Berlin glich am Nachmittag des 10. November eher der eines Studi-Cafés als der einer Besetzung.

Probleme am AStA TU Berlin

In diesem Raum hätte einige Stunden vorher eigentlich die konstituierende Sitzung desjenigen 45. AStA stattfinden sollen, welcher nach den kürzlichen Neuwahlen alle seine Referent*innen neu besetzt hat – auch mit Personen, welche die Gewalt des 7. Oktobers 2023 als Befreiungskampf verherrlichten. Um darauf aufmerksam zu machen, haben einige Studierende unter dem Namen „Besetzen gegen Antisemitismus“ die Räume des AStA besetzt. Aus dem Fenster hängten sie ein großes Banner, auf dem zu lesen ist: „We fight antisemitism – AStA does not“

Viele dieser neuen vom Studierendenparlament (StuPa) ernannten Referent*innen konnten nur gewählt werden, da vorher ein linkes Wahlbündnis des StuPa aufgekündigt wurde, um stattdessen mit dem SDS und einer „Free Palestine“-Liste neue Mehrheiten zu bilden. Eine jüdische Studierende berichtet, dass sie während dieser Neuwahl des StuPa auf den Antisemitismus von in der Wahl anwesenden Gruppen und Personen hingewiesen habe und sagte, dass sie sich von diesem bedroht fühle – doch dafür lachten sie einige Wahlteilnehmende bloß aus.

Die Neuwahl der Referent*innen fällt in eine Entwicklung der zunehmenden Marginalisierung antisemitismuskritischer Stimmen an allen Berliner Studierendenvertretungen: „Wir gehen davon aus, dass Antisemitismuskritik in Zukunft auch nicht mehr am AStA stattfinden kann und es zu israelfeindlicher Positionierung sowie Boykottaufrufen kommen wird“, sagt ein Besetzer dem EDA-Magazin.

Die Aktion stieß online auf viel Zuspruch und auch vor Ort kamen immer wieder Studierende mit Snacks und Getränken vorbei. Die Aufmerksamkeit war so groß, dass das Interesse von Journalist*innen geweckt wurde. „Leider war auch ein bekannter rechter Streamer vor Ort, um zu pöbeln“, so die Besetzer*innen. 

Besetzung als klassische Protestform linker Studierender

Im Gespräch heben die Studierenden auch die Bedeutung von Uni-Besetzungen als linke Aktionsform hervor, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Dabei ging es oft darum, offene Räume des Lernens und des Austauschs an Universitäten zu schaffen, beispielsweise durch sogenannte „Teach-ins“. Die Uni-Besetzungen der letzten zwei Jahre durch Studierende, die einen kompromisslosen palästinensischen Nationalismus vertreten, gingen jedoch oft mit israelbezogenem Antisemitismus, Drohungen – in Form von Hamas-Dreiecken und Intifada-Aufrufen – oder sogar gewalttätigen Angriffen einher.

Dagegen stellten die Besetzenden folgende Forderungen an den AStA: Er soll keine antisemitischen Veranstaltungen auf dem Campus stattfinden lassen und keine antisemitischen Gruppen unterstützen. Zudem fordern sie aufklärende Veranstaltungen zu allen Formen des Antisemitismus, einen eigenen Raum für jüdische und antisemitismuskritische Studierende und zuletzt auch eine Neubesetzung des Antisemitismusbeauftragten der TU Berlin.

Jüdische Sichtbarkeit bei der Besetzung

Die „Besetzung gegen Antisemitismus“ wurde, neben anderen, von jüdischen Studierenden geplant und durchgeführt. So sagt eine Besetzerin zum EDA-Magazin: „Wichtig war uns bei der Besetzung auch die jüdische Sichtbarkeit durch Davidsterne oder die Menora auf dem Flyer. Symbole, die jüdische Studierende insbesondere seit dem 7. Oktober verstecken mussten.“ Wie lange die Studierenden bleiben wollen, ist noch nicht entschieden. Wichtig war dieser Tag der konstituierenden Sitzung des AStA’s, sowie einen gemeinsamen Abend zu haben. Am Dienstag wollen sie besprechen, wie es weitergeht.