Warum ich Männer nur noch „Buben“ nenne
Eine Kolumne von Jaël Lichtenberger
Dieser Text erschien zuerst in der EDA III (September 2025).
Im ersten Moment meint man(n) vielleicht, es sei abwertend gemeint.
Ist es auch – aber nicht gegenüber einem Geschlecht. Sondern gegenüber einer Haltung. Meine Absichten beruhen auf Selbstschutz und Selbstermächtigung.
Wie können wir uns von jahrhundertealter, tief und vielfältig verankerten Denkweisen befreien?
Es gibt sicherlich nicht die eine Lösung, dafür aber das eine Ziel: eine gleichberechtigte Gesellschaft.
Ich verfolge den Ansatz, die unberechtigte Disbalance patriarchaler Strukturen zu durchbrechen – hier durch die Neuausrichtung eines Wortes. Denn Sprache ist Macht. Deshalb nenne ich Männer nur noch „Buben“.
Ich sage nicht, dass alle Männer Buben sind.
Es besteht durchaus die Möglichkeit, sich hochzuarbeiten.
„Junger Mann“ ist die nächste Stufe – „Schöner Mann“ die Königsdisziplin.
Um zu verdeutlichen, wie sich diese Taktik in den Alltag integrieren lässt, führe ich folgende Beispiele auf:
Im Arbeitsalltag
Ein frustrierter Schall kratzt mein Ohr. Mein Chef hat die Stimme unverhältnismäßig laut erhoben. Tief scheppert sie durch den Laden.
Er ist größer, stärker und steht, durch das Anstellungsverhältnis offensichtlich hierarchisch über mir.
Ich denke mir: Ach, der Bub – hat leider nie gelernt, die eigenen Emotionen zu regulieren und Verantwortung zu übernehmen.
Automatisch entsteht eine so immense Distanz zwischen mir, ihm und der Situation, dass ich mir das Lachen fast verkneifen muss. Mit der dadurch erlangten Leichtigkeit läute ich den Feierabend ein.
Auf dem Heimweg
Ich laufe nachts alleine durch die Straße. Stelle meine Kopfhörer auf geräuschdurchlässig und schalte die Musik aus. Ich höre laute Stimmen. Plötzlich wird mir bewusst, wie dunkel und leer es um mich ist. Trotz der 10 kg Muskelmasse, die ich in den letzten 1,5 Jahren aufgebaut habe, fühle ich mich sehr verletzlich.
Ich kann sie von Weitem schon sehen, aber rechts und links sind Häuser, damit keine Möglichkeit auszuweichen. Der einzige Weg an ihnen vorbei, ist durch sie hindurch. Durch diese große unheimliche Bubengruppe.
Da kann man doch nur noch schmunzeln. Es entzerrt das Bild des mächtigen Mannes
Emotionales Erfolgserlebnis: garantiert.
Sicherheit: nicht gewährleistet
Ich kann solche Konfrontationen nicht kontrollieren. Ich kann sie auch nicht vermeiden. Ich will mich nicht fürchten, weil es eh nichts ändert. Vor Buben jedoch, kann ich mich nicht fürchten.
Es ermächtigt mich, Männer zu dem zu machen, was sie tatsächlich sind und immer sein werden:
Männer
Nichts Besseres, nichts Schlechteres– einfach nur Männer.
Und für mich halt: Buben.

